Fehlendes Zentralbankgeld?

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  1. Avatar von bwlerrr
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    Standard Fehlendes Zentralbankgeld?

    Neulich habe ich ein Interview im ORF mit Dirk Müller auf Youtube gesehen (Bei Youtube nach "Dirk Müller Interview ORF" suchen)

    Ich mag die Art, wie er komplizierte Dinge einfach darstellt und ich bin hoch erfreut, dass im österreichischen Fernsehen noch „heikle“ Themen ausgesprochen werden dürfen.

    Ich würde aber gerne eine seiner Aussagen näher diskutieren. In dem Interview erläutern er, dass im Zentralbankgeldsystem quasi der Zins, den die Zentralbank für den Verleih des Geldes fordert nicht im Geldsystem existiert und deswegen nie zurückbezahlt werden kann. Wegen des Zinseszinseffekts steigen die Schulden auf diese „Lücke“ im Geldsystem und so kommt es nach einer bestimmten Zeit immer zum Crash, weil das Geld, um die so gestiegenen Schulden zu bezahlen nicht existiert.

    Anders formuliert könnte man sagen, irgendwer im System muss sich also irreversibel verschulden.

    Von dieser Theorie habe ich vor einiger Zeit in dem Youtube-Video „Der Goldschmied Fabian“ (bei Youtube nach Goldschmied Fabian suchen, Teil 1-6) zuerst gehört. Ich habe Betriebswirtschaft studiert und das Studium enthielt auch eine VWL-Vorlesung. In der Vorlesung wurde die Entstehung des Geldsystems genau so erklärt, wie in dem Video gezeigt, auf das Problem einer „Geldlücke“ wurde aber nicht eingegangen.

    Da mir die Sache keine Ruhe gelassen hat, habe ich also 5 Jahre nach Ende meines Studiums meinen VWL-Professor angerufen, um ihn nach seiner Meinung zu fragen.

    Jetzt wird es interessant: Entgegen der Darstellung im Video, vertritt mein VWL-Professor folgende Meinung:
    Sagen wir vereinfacht es existierte nur eine Zentralbank Z und eine Geschäftsbank B. Zentralbank Z leiht Bank B Zentralbankgeld in Höhe von 100 Euro und möchte dafür 10% Zinsen p.a.

    Laut Dirk Müller's Aussage und der Darstellung im Video hätte Geschäftsbank B ja dann nach einem Jahr 110 Euro zurückzuzahlen. Die Zinsdifferenz von 10 Euro existiert aber nicht im System, somit kann Geschäftsbank B nur durch Aufnahme neuer Schulden (mit Zinsen) den Kredit zurückbezahlen.

    Mein Prof meint aber: Die 10 Euro Zinsen würden aber als Gewinn der Zentralbank an den Fiskus ausbezahlt werden. Dadurch würde neues Geld geschaffen und somit würden doch wieder 110 Euro im Umlauf sein, somit würde kein Geld im System fehlen.

    Mein Einwand darauf: Der Gewinn der Zentralbank errechnet sich aber wie bei jedem anderen Unternehmen aus Umsatz minus Kosten, d.h. die Kosten der Zentralbank würden den Gewinn mindern. Dadurch würde doch wieder eine Geldlücke entstehen. Sollten aber die Kosten der Zentralbank in die Wirtschaft zurückfließen, ist diese Kostendifferenz auch wieder als Geld im Umlauf und es entsteht keine Geldlücke.

    Logische Konsequenz: Es kann nur eine Geldlücke wie von Dirk Müller und in dem Youtube-Video beschrieben entstehen, falls die Zentralbank Kosten verursacht, die dann ihren Gewinn mindern und diese Kosten NICHT wieder zurück in die Wirtschaft fliessen. Damit gäbe es wahrlich einen Geldmangel im System.

    Diesen Ansatz könne mein Prof „nicht nachvollziehen“.
    Also was ist den nun damit? Verbreitet Dirk Müller hier den größten Unsinn oder hat mein VWL Prof das Zentralbankgeldsystem nicht verstanden???
    Kann mir das bitte jemand erklären?! Danke.

  2. Avatar von Bolitho
    Bolitho ist offline

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    Standard AW: Fehlendes Zentralbankgeld?

    Ich sehe die Geldlücke auch, auch wenn ich es jetzt nicht wissenschaftlich erklären kann.

    Hier ist ein Link zur KhanAcademy und speziell zur Banking Playlist. Die ist sehr spannend, könnte aber viel bekannten Inhalt für dich beinhalten. Banking and Money | Khan Academy

    Wenn wir bei deinem Beispiel bleiben und ein geschlossenes System annehmen, dann kann die Zentralbank gar keinen Gewinn machen. Sie dürfte ihn sich ja nicht in die Bücher schreiben, weil die Rückzahlung nicht vollständig möglich ist. Aber ob das wirklich so ist, keine Ahnung.

  3. Avatar von bwlerrr
    bwlerrr ist offline
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    Standard AW: Fehlendes Zentralbankgeld?

    Habe schon weitergeforscht und herausgefunden:

    https://bundesrecht.juris.de/bundesre...nkg/gesamt.pdf

    Da steht, die Bundesbank bildet Rücklagen i.H.v. 20%. Da haben wir sie ja schon, die Lücke im Geldsystem...

  4. Avatar von da_jupp
    da_jupp ist offline

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    Standard AW: Fehlendes Zentralbankgeld?

    Leider darf ich noch keine Links einfügen; somit möchte ich auf den Artikel "Geldvermögen" auf Wikipedia verweisen.

    Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung kommt zu folgendem Ergebnis:
    "Es verbleibt ein Nettogeldvermögen von 62,7 Mrd. Euro. Dies sind das Währungsgold und die Sonderziehungsrechte der Deutschen Bundesbank ..."

    D. h. das Zinssystem bläht das Nettogeldvermögen von 62,7 Mrd. Euro auf 21.800,5 Mrd Euro Geldvermögen auf und generiert im Gegenzug 21.737,8 Mrd. Euro Verbindlichkeiten.

    Zum Beispiel deines Professors: 100 Euro + 10% Zinsen; 1 Jahr

    Der Schuldner steigert sein Geldvermögen um 100€, seine Verbindlichkeiten beträgt 110€.
    Der Gläubiger verringert sein Geldvermögen um 100€, seine Forderung beträgt nun 110€.

    Rein netto hat der Schuldner effektiv 10€ Schulden und der Gläubiger neue 10€ als Forderung. Das Gleichgewicht ist gem. Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung immer noch gegeben. Das Geldvermögen (=Forderung) steigt um 10€ und die Verbindlichkeiten ebenso. Lediglich die Schere um die 62,7 Mrd. Euro geht weiter auseinander.

    Interessant wäre jetzt, ob die 62,7 Mrd. ein Fixwert sind oder Schwankungen unterworfen sind.

  5. Avatar von arcsin
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    Standard AW: Fehlendes Zentralbankgeld?

    Zitat Zitat von bwlerrr
    Logische Konsequenz: Es kann nur eine Geldlücke wie von Dirk Müller und in dem Youtube-Video beschrieben entstehen, falls die Zentralbank Kosten verursacht, die dann ihren Gewinn mindern und diese Kosten NICHT wieder zurück in die Wirtschaft fliessen. Damit gäbe es wahrlich einen Geldmangel im System.
    Welche Kosten sollen das sein? Nutzung von Bargeld als Brennmittel für den Kamin? Nichtmal das ist ein Problem, wir reden ja von der Zentralbank. Ansonsten entstehen Kosten doch dadurch, dass Geld irgendwohin abfließt, also dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt wird. Wenn die Zentralbank 100 Euro Zinsen einnimmt, zahlt sie mit X Euro ihr Personal und Anderes, die restlichen 100-X Euro gehen an den Fiskus.

  6. Avatar von arcsin
    arcsin ist offline

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    Standard AW: Fehlendes Zentralbankgeld?

    Ich nehme mir mal die Freiheit, und poste hier Dein Modell aus dem Goldseiten-Forum.

    Es existiert eine Zentralbank ZB und eine Geschäftsbank GB
    und ein Finanzministerium F.
    (Gewinne werden erst nach erfolgter Rückzahlung realisiert)

    Jahr 2012 (Inkrafttreten der ZB):
    ZB verleiht zum Zinssatz von 10% 100GE an GB. Stichtag für Rückzahlung ist 01.01.2013.
    Das gesamte Zentralbankgeld im Umlauf beträgt 100 GE. Die Gesamtschulden der GB and die ZB betragen 110GE.
    Das Jahr vergeht...
    Am 31.12.2012 merkt GB, dass sie morgen 110GE an ZB zurückzahlen muss, hat aber nur 100GE.
    GB nimmt also einen Kredit über weitere 10GE bei ZB auf, zum Zinssatz von 10%. Stichtag für Rückzahlung ist 31.12.2013.
    Zum Ende des Jahres beträgt das gesamte Zentralbankgeld im Umlauf 110 GE. Die Gesamtschulden der GB an die ZB betragen 121GE (110GE + 11GE).

    Jahr 2013
    Am 01.01.2013 zahlt GB 110GE an ZB zurück. Der Kredit ist damit vollständig zurückgezahlt.
    ZB hat Gewinn gemacht: 10 GE. Davon bildet sie Rücklagen i.H.v. 20% des Gewinns, also 2GE. 8GE vom Gewinn bekommt F.
    ZB verleiht zum Zinssatz von 10% 102GE an GB (Geldmenge wird um 2% zum Vorjahr zur Vermeidung von Geldknappheit erhöht, weil neue Güter produziert wurden). Stichtag für Rückzahlung ist 01.01.2014.
    Geld im Umlauf ist jetzt 110GE (102GE von GB, 8GE von F, ACHTUNG: 2GE ZB-Gewinn sind nicht im Umlauf).
    Das Jahr vergeht...
    Am 30.12.2013 merkt GB, dass sie morgen 11GE an ZB zurückzahlen muss, kein Problem, sie hat ja 102GE.
    Am 31.12.2013 zahlt GB 11GE an ZB. Der Kredit ist damit vollständig zurückgezahlt. GB hat nunmehr nur noch 91GE.
    Am 31.12.2013 merkt GB, dass sie morgen 112,2GE an ZB zurückzahlen muss, hat aber nur 91GE. Aber GB sind außerdem die 8GE von F zugeflossen, die sich ja auch im Umlauf befinden. GB hat also 99GE. Reicht aber auch nicht.
    GB nimmt also einen Kredit über weitere 13,2GE bei ZB auf, zum Zinssatz von 10%. Stichtag für Rückzahlung ist 31.12.2014.
    Zum Ende des Jahres beträgt das gesamte Zentralbankgeld im Umlauf 112,2GE. Die Gesamtschulden der GB an die ZB betragen 126,72GE (112,2GE + 14,52GE).

    Jahr 2014
    Am 01.01.2014 zahlt GB 112,2GE an ZB zurück. Der Kredit ist damit vollständig zurückgezahlt.
    ZB hat Gewinn gemacht: 11,2 GE (10,2GE (aus Kredit über 112,2GE) + 1 GE (aus Kredit über 11GE). Davon bildet sie Rücklagen i.H.v. 20%
    des Gewinns, also 2,24GE. 8,96GE vom Gewinn bekommt F.
    ZB verleiht zum Zinssatz von 10% 104,04GE (Geldmenge wird um 2% zum Vorjahr zur Vermeidung von Geldknappheit erhöht, weil neue Güter produziert wurden) an GB. Stichtag für Rückzahlung ist 01.01.2015.
    Geld im Umlauf ist jetzt 113GE (104,04GE von GB, 8,96GE von F, ACHTUNG: 4,24GE von ZB sind nicht im Umlauf).
    Das Jahr vergeht...
    Am 30.12.2014 merkt GB, dass sie morgen 14,52GE an ZB zurückzahlen muss, kein Problem, sie hat ja 104,04GE.
    Am 31.12.2014 zahlt GB 14,52GE an ZB. Der Kredit ist damit vollständig zurückgezahlt. GB hat nunmehr nur noch 89,52GE.
    Am 31.12.2014 merkt GB, dass sie morgen 114,444GE an ZB zurückzahlen muss, hat aber nur 89,52GE. Aber GB sind außerdem die 8,96GE von F zugeflossen, die sich ja auch im Umlauf befinden. GB hat also 98,48GE. Reicht aber auch nicht.
    GB nimmt also einen Kredit über weitere 15,864GE bei ZB auf, zum Zinssatz von 10%. Stichtag für Rückzahlung ist 31.12.2015.
    Zum Ende des Jahres beträgt das gesamte Zentralbankgeld im Umlauf 114,444GE. Die Gesamtschulden der GB an die ZB betragen 131,8944GE (114,444GE + 17,4504).
    Diese Diskrepanz *könnte* sich dadurch auflösen, dass man die Nichtbanken mit einbezieht. "Könnte" deshalb, weil ich nicht beurteilen kann, ob es so praktiziert wird.
    Das Problem, das sich zwischen der ZB und GBen ergibt, existiert analog zwischen GBen und Nichtbanken. Letztere betreiben aber eine Wertschöpfung. Angenommen, die 100 GE würden von der GB in Gänze an ein Goldabbauunternehmen weiterverliehen. Nach einem Jahr kann das Unternehmen zwar keine 110GE zurückzahlen, dafür aber möglicherweise 100GE+10GoE. Diese Mischung könnte von der GB an die ZB zum kompletten Schuldabbau weitergegeben werden. Es wäre sogar möglich, dass die ZB ihre Rücklagen in GoE bildet und GE in die Wirtschaft zurückfließen.
    Natürlich schöpft nicht jeder Wert in Form von Gold. Aber möglicherweise akzeptiert die ZB ja Schuldverschreibungen der GB in Papierform, die heutigen real existierenden Werten gegenüberstehen (Immobilien, Rohstoffe, sonstiges?).

    Übrigens muss eine Geldlücke nicht unbedingt zum exponentiellen Schuldenwachstum führen. Man kann über unbegrenzte Zeit eine konstante Restschuld (= die Lücke) aufrechterhalten, indem nur die Zinseszinsen zurückbezahlt werden. Dafür braucht keine fortwährende Steigerung der eigenen Arbeitsleistung - durch Inflation sinkt der notwendige Arbeitsaufwand sogar. Stell dir vor, Du leihst Dir Geld von einer Geschäftsbank, legst es Dir dauerhaft unters Kopfkissen und gehst bei der Bank putzen, um die Zinsen zurückzuzahlen.

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