„Drum prüfe, wer sich lange bindet“Wie die bAV für Kurt zum finanziellen Desaster wurde"
Um finanziell für das Alter vorzusorgen, zahlen viele Menschen in eine betriebliche Altersvorsorge ein. Warum Betriebsrenten durch nachgelagerte Steuern und Sozialabgaben jedoch zum finanziellen Desaster für Versicherte werden können, zeigt das Beispiel von Kurt Topitsch.
Nach 49 Jahren Arbeit genießt Kurt Topitsch aus Ichenhausen nun seinen Ruhestand. Dafür hat er früh vorgesorgt: mit einer betrieblichen Altersvorsorge, kurz bAV. „Für das spätere Leben, damit man im Alter eigentlich gut leben kann. Weil die gesetzliche Rente nicht so hervorragend ausfällt.“
Kurt Topitschs Altersvorsorge funktionierte so:
Im Rahmen einer Entgeltumwandlung bekam er weniger Netto ausbezahlt, da ein Teil seines Bruttogehalts direkt in die BAV floss. Auf diesen Teil musste er keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen und hoffte dadurch auch auf weniger Steuern.
Ein attraktives Angebot, doch im Jahr 2004 änderten sich die Spielregeln. Die damalige Bundesregierung beschloss ein neues Gesetz, wonach im Rentenalter auch Sozialbeiträge fällig werden.
• Betroffene müssen neben den Arbeitnehmer- auch die Arbeitgeberbeiträge der Krankenversicherung zahlen und die betriebliche Altersvorsorge wird bei der Auszahlung nachgelagert besteuert.
• „Wir haben Kollegen, die haben 100.000 Euro drin. Das sind zehn Jahre lang Krankenkassenbeiträge plus Steuern. Damit liegt mal ungefähr bei 50.000 Euro, also die Hälfte“, so Topitsch.
Das empfehlen Verbraucherschützer
Kurt Topitsch erfuhr von der Gesetzesänderung erst Jahre später. Sein AG informierte ihn per Aushang im Unternehmen, obwohl er ihm regelmäßig Briefe zu den Zinsänderungen der Altersvorsorge schickte. Topitsch zahlte zunächst weiter ein. Die Enttäuschung war groß, als er in Rente ging. Er zog vor das Arbeitsgericht und klagte gegen seinen alten AG, da er sich ungerecht behandelt fühlte. Doch musste dieser über politische Änderungen der Rahmenbedingungen informieren?
• „Eine Vermögensvorsorge-Pflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer generell gibt es nicht!"; erklärt Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern.
„Das heißt, da muss sich der Einzelne selber darüber informieren: ‘Was heißt das für mich steuerlich, was hat das für mich abgabenrechtlich für eine Auswirkung?’“
Verbraucherschützer empfehlen auch, die gesetzliche Rente im Blick zu behalten, da der Bruttolohn in die BAV umgeschichtet wird. Ein Rechenbeispiel: Fließen 200 Euro monatlich brutto über ein Erwerbsleben in eine BAV, fehlen ungefähr 50 bis 60 Euro. Geht man von normalen Rentenanpassungen aus, summiert sich das auf rund 80 bis 90 Euro.
• „Und im schlimmsten Fall würde es sogar so sein, dass das, was Sie in der BAV aufgebaut haben, mehr oder weniger dann wieder auf plus-minus-null ausgeglichen wird von dem, was Sie in der gesetzlichen Rentenversicherung verlieren.
Das kann in schlechter Konstellation natürlich passieren“, so Sascha Straub. Inzwischen sind Unternehmen verpflichtet, mindestens 15 Prozent der BAV beizusteuern, weil sie sich Sozialabgaben sparen. Übernimmt die Firma die Altersvorsorge komplett, sollte man diese definitiv nutzen. „Sobald man aber im Rahmen der Brutto-Entgeltumwandlung selber Beiträge leistet, wird es schon schwierig. Denn hier haben verschiedenste Faktoren einen Einfluss, ob am Ende da wirklich auch ein lohnendes Produkt herrauskommt“, erklärt Straub. Ein ganz wichtiger davon sei ihm zufolge, wie hoch der Arbeitgeberanteil ist. Denn der müsse deutlich höher sein, als die 15 Prozent, die man vom Gesetz kenne. „Also wir sehen da einen deutlich höheren Arbeitgeberanteil, damit das überhaupt ein lukratives Angebot am Ende ist“, so der Verbraucher-Experte.
Das rät Kurt Topitsch anderen
Zurück zu Kurt Topitsch: Seine Klage wurde letztlich abgelehnt. Mit seiner Form der BAV muss er die Versteuerung hinnehmen, urteilte die Richterin.
Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Jahren bei der BAV nachgebessert. Mittlerweile gilt ein Freibetrag von rund 177 Euro im Monat, auf den zumindest keine Krankenkassenbeiträge fällig werden.
• "Wenn ich heute jemandem raten würde, bevor er etwas abschließt, soll er sich vorher einen Rat geben lassen, was alles hinter dieser ganzen Sache steckt.
• Weil selber als Ottonormalverbraucher ist es nicht möglich, da den Hintergrund zu sehen.
Drum prüfe, wer sich lange bindet, damit die Altersvorsorge am Ende so ausfällt, wie viele Rentner es sich erhoffen.