Hallo Forum,
wie berechnet man den Effektivzins bei einer Festgeldanlage? Zwei renommierte deutsche Geldinstitute kommen bei ein und demselben Festgeldangebot zu unterschiedlichen Aussagen. Denkgesetzlich können ja nicht beide recht haben.
Anlagebetrag:10.000 €
Laufzeit: 3 Jahre
Nominalzins: 3,15 %
Zinszahlung:jährlich (keine Thesaurierung)
Kosten: keine
Bank 1 weist einen Effektivzins von 3,15% aus und begründet das so:
Der Effektivzins ist die Rendite, die man unter Berücksichtigung sämtlicher Kosten, Boni und evtl. Zinseszinsen tatsächlich erzielt. Wegen der jährlichen Zinsausschüttung fallen keine Zinseszinsen an. Man erzielt jedes Jahr 315 € - in 3 Jahren also 945 €. Aufs Jahr gerechnet effektiv 3,15%.
Bank 2 weist einen Effektivzins von 3,06% aus und erklärt das so:
Der effektive Jahreszins wird mit Zinseszins berechnet, ist also der Zinsertrag, der bei jährlicher Berechnung und Verzinsung der Anlage entstehen würde.
Nach dem 1. Jahr: 10.000 € Anlagesumme, Zinssatz effektiv von 3,06 % > 306 € Zinsen
Nach dem 2. Jahr: 10.306 € Anlagesumme, Zinssatz nominal von 3,06% > 315,36 € Zinsen
Nach dem 3. Jahr: 10.621,36 € Anlagesumme, Zinssatz nominal von 3,06% > 325,01 € Zinsen
Der Zinsertrag wäre hier also 946,37 (Die Differenz zu den obigen 945 € kommt durch die Rundung zustande, da der effektive Jahreszins tatsächlich 3,0557% beträgt, aber auf 2 Nachkommastellen gekürzt wird.)
Vielleicht ist ja ein "Finanzmathematik-Papst" unter euch. Danke für eure Expertise.
Variante 1 (ohne Zinseszins): Anlagebetrag bleibt immer bei 10.000 Euro, Zinsen pro Jahr von 315 Euro werden dir ausbezahlt, die du wieder anlegen oder dir etwas kaufen kannst.
Nominalzins= Effektivzins = 3,15%
Variante 2 (mit Zinseszins): Du bekommst auch immer pro Jahr 315 Euro Zins, nur dass sich (gedanklich) der Anlagebetrag durch Zinseszins erhöht:
Zinssatz Jahr 1: 10.000 x 3,15% =315 Euro
Zinssatz Jahr 2: 10315 Euro x 3,05% = 315 Euro
Jahr 3: 10630 x 2,96% = 315 Euro
Nominalzins 3,15%, Effektivzins, 3,06% (über alle 3 Jahre).
Danke für die Antwort,
sie spiegelt jedoch nur meine Fragestellung. Die Frage bleibt: Wie hoch ist denn nun der Effektivzins? 3,15% oder 3,06% ?. Der Effektivzins ist doch wohl eindeutig mit einer Formel definiert. Da kann doch mittwochs nicht was anderes herauskommen als freitags.
Gruß
Rehok
Vermutlich, weil Finanzmathematik nicht gesetzlich festgeschrieben ist.
Man könnte z.B. Zinsen Taggenau berechnen oder mit der Vereinfachung auf 12*30 Tagen= 360 Tagen. Beides ist irgendwie richtig.
Man muß es halt nur in den Bedingungen definieren.
Bei deinem Beispiel könnte dann z.B. da stehen:
bei Variante 1 effektiver Jahreszins
bei Variante 2 effektiver Jahreszins über die gesamte Anlagedauer.
Danke für die Anwort. Bei Geldanlagen ist die Angabe des Effektivzinses tatsächlich gesetzlich nicht vorgeschrieben. Bei Krediten jedoch sehr wohl und da gibt es eine eindeutige Berechnungsvorschrift, an die sich jede Bank zu halten hat. Würde mich wundern, wenn bei Geldanlagen jede Bank ihre eigene Methode wählen könnte.
Was mich an Variante 2 besonders irritiert: Der effektive Zins wird daran gemessen, was man an Zinsen erzielen KÖNNTE. Für mich heißt effektiv = tatsächlich und nicht möglicherweise.
Aber sei's drum. Wen könnte man wohl als entscheidende Instanz dazu fragen?
Was mich an Variante 2 besonders irritiert: Der effektive Zins wird daran gemessen, was man an Zinsen erzielen KÖNNTE. Für mich heißt effektiv = tatsächlich und nicht möglicherweise.
Den Satz verstehe ich nicht. StGe1973 hat das ganze doch ganz gut dargestellt. Da ist nix mit könnte, sondern was tatsächlich erzielt wird. Theoretisch könnte sogar mehr erzielt werden, wenn du die Zinsen anlegen würdest.
Wenn ich bitte noch einen Gedanken nachtragen darf. Bei der taggenauen oder vereinfachten Berechnung handelt es sich um einen geringen graduellen Unterschied, auf den man durch ein Sternchen hinweisen kann. Bei den beiden Varianten geht es aber um einen prinzipiellen Unterschied. Bei Variante 2 liegt der Effektivzins unter dem (garantierten) Nominalzins.
Die Bank 2 hat erklärt: "Der effektive Jahreszins wird mit Zinseszins berechnet, ist also der Zinsertrag, der bei jährlicher Berechnung und Verzinsung der Anlage entstehen würde" (Siehe Ausgangsfrage). Also Konjunktiv, nicht Indikativ.
ok, allein die Berechnung hat dir nicht geholfen, dann verbal:
Der Effektivzins auf die Anlage ist davon abhängig, was du mit dem Zinsertrag machst, was die Bank natürlich nicht wissen kann.
Variante 1:
Bank unterstellt, dass du am Tag der Zinsauszahlung die 315 Euro "auf den Kopf" haust, einkaufen, Kino, essen egehen oder wie auch immer. Anlagebetrag bleibt immer 10.000 Euro.
Variante 2:
Bank unterstellt, dass du den Zinsertrag auf einem unverzinsten Girokonto läßt. Die Gesamtanlage wächst jedes Jahr (Anlagesumme und Geld auf Girokonto), aber nur Anlagesumme wird mit 3,15% verzinst. Deshalb reduziert sich der Effektivzins (tatsächlicher Zins) auf die Gesamtanlage entsprechend.
Variante 3:
Du könntest die Zinsen auch auf ein verzinstes Tagesgeldkonto legen. Dann würde sich ein enaderer Effektivzins ergeben, da Anlagesumme mit 3,15% verzinst wird und Zinserträge z.B. mit 1,5 % auf einem Tagesgeldkonto.
Die unterschiedlichen Varianten sind deshalb zulässig, da die Bank (und du wahrscheinlich auch nicht) nicht weiß, was du genau mit den Zinserträgen machen wirst. Von einem Extremfall (Tag der Zinsauszhalung alles konsumieren) bis gesamter Zinsertrag sparen und auf unverzinstes Girokonro legen ist alles möglich und jeweils ergibt sich ein anderer Effektivzins auf die Gesamtanlage (Anlagesumme und Zinsen).
In der Realität wird wahrscheinlich gar keiner dieser angegebnen Effektivzinssätze stimmen. Du wirst wahrscheinlich einen Teil verbrauchen und einen anderen Teil auf einem verzinsten Konto belassen. Aber da das niemand im Voraus wissen kann, kannst nur du dann selbst "deinen persönlichen" Effektivzins berechnen.
Na klar beruht die Berechnung auf der Zinseszinsberechnung, nur dass das Kapital mit 3,15% und der Zins halt mit 0 verzinst wird.
Schau mal den Zinsrechner auf www.Zinsen-berechnen.de berechnen an.
Wähle dort den Zinsrechner für einmalige Geldanlage, stell das Anfangskapital von 10000€ und das Endkapital von 10945€ ein und gehe auf Zinssatz berechnen.
Dann switchst du mal beim Zinseszins hin und her. Je nach Berechnung erhälst du den Zinssatz von 3,15% oder 3,056%.
Danke für den Tipp "Zinsrechner". Ich habe exakt die Bedingungen des Festangebotes eingegeben:
Anlagebetrag: 10.000 €
Laufzeit: 3 Jahre
Endkapital: 10945 €
Zinszahlung: jährlich (keine Thesaurierung) !!!!!!!!!!!!!!!
Kosten: keine
Ergebnis: 3,15%
Die Alternative mit Zinseszins steht doch gar nicht zur Diskussion. Das obige Festgeldangebot ist doch explizit mit jährlicher Auszahlung der Zinsen, also ohne Verzinsung der Zinsen ausgewiesen. Natürlich bräuchte es nur einen geringeren Zinssatz, wenn ich die Zinsen jeweils dem Anlagekapital zuschlagen und mit verzinsen würde. Das bestreitet doch niemand.
Meine Frage lautet also nicht "Welchen Zinssatz bräuchte es, um mit Zinseszins auf 10945 € zu kommen?" Sie lautet vielmehr: "Mit welchem Zinssatz komme ich ohne Zinseszinsen auf 10945 € ?
So lautet nämlich das obige Festgeldangebot.
Klar mußt du den (unverzinsten) Zinseszins berücksichtigen, wenn du die gesamte Laufzeit von 3 Jahren betrachtest.
Das ist der Unterschied zwischen "effektiver Jahreszins p.a." und "effektiver Jahreszins p.a. über die gesamte Laufzeit"
Wenn ich den effektiven Zins eines Darlehens ermitteln will, schaue ich doch auch, welche Gebühren über die Laufzeit enstehen. Da gehe ich auch nicht nur von den Gebühren im Erstjahr aus, sondern von der Gesamtlaufzeit.
Soweit ok. Aber was ist, wenn bei einem Darlehen mal angenommen gar keine Gebühren anfallen (würden)? Wie stellt sich denn dann der Effektivzins gegenüber dem Nominalzins dar?
Nein, es gibt kein richtig oder falsch in diesem Sinne.... es kommt darauf an, was du mit den Zinsen tust und das weiß die Bank nicht.
Bank1 unterstellt, dass du am Tag der Zinsauszahlung alles konsumierst = Effektivzins 3,15%
Bank2 unterstellt, dass du die Zinsen auf ein unverzinstes Girokonto legst = Effektivzins 3,06%
Welche Bank hat Recht? Das entscheidest du selbst, je nachdem was du mit den Zinsen machst.
Wenn du handelst wie Bank 1 unterstellt, dann hat diese Recht. Wenn du handelst wie Bank 2 unterstellt, dann hat diese Recht. Wenn du etwas anders tust (z.B. Zinsen auf ein verzinstes Tagesgeldkonto) dann hat keine Bank Recht und es ergibt sich ein anderer Effektivzins.
Ja, danke StGe1973. Ich war deshalb bisher nicht auf deinen Beitrag eingegangen, weil ich noch darauf herumkaue. Mir ist einfach im Moment noch nicht klar, was der Unterschied sein soll zwischen der sofortigen Verkonsumierung der jährlich ausgezahlten Zinsen und der unverzinsten Anlage der Zinsen auf einem Girokonto. In beiden Fällen erhalte ich keine Zinseszinsen und in beiden Fällen verbleiben jeweils 10.000 € als Anlagesumme, die weiterhin mit 3,15% verzinst werden. Es sind ja gerade die Zinseszinsen (und evtl. Kosten), die definitionsgemäß den Effektivzins beeinflussen. Und in dieser Hinsicht sehe ich keinen Unterschied.
Deine Ausführungen sind aber so bestimmt und gefühlt sachkundig, dass ich befürchte, im Moment eine Blockade zu haben. Ich muss in Ruhe darüber nachdenken.
Auf jeden Fall noch einmal herzlichen Dank für die Unterstützung, die Anregungen und die Mühe, die ihr euch mit mir gemacht habt.
Der Unterschied besteht darin, dass du im Fall 1 immer die Anlagesumme von 10.000 Euro hast. Die Zinsen fallen nicht ins Gewicht, da du diese ja sofort ausgibst und damit nicht mehr hast. Dieses Geld ist weg. Dein "Vermögen" ist immer 10.000 Euro über alle 3 Jahre. Da dies mit 3,15% verzinst wird ist Nominal und Effektivzins = 3,15%
Im Fall 2 behälst du ja die Zinsen, diese befinden sich auf deinem unverzinsten Girokonto. Dein "Vermögen" erhöht sich um 315 Euro auf 10315 Euro. Allerdings werden eben nur die 10.000 Euro verzinst. Da die 315 Euro nicht verzinst werden, darauf ergibt sich ein geringerer Effektivzins auf dein Gesamtvermögen von 10315 Euro.
Aber letztlich spielt es auch keine große Rolle: Beide Angebote bedeuten, dass du 315 Euro Zinsen pro Jahr bekommst... Der Effektivzins ist für dich ja eigentlich uninteressant, weil es dir als Anleger um die Zinsen in Euro geht, die du bekommst. Wie gesagt, in beiden Fällen 315 Euro pro Jahr (außer du legst den Zinsertrag wieder an).
Ist mir soweit klar. Mich drückt der Schuh an der Grenze zwischen Bank und Privatbereich. In dem Moment, in dem die Zinsen durch Auszahlung an mich die Bank verlassen und in meinen Privatbereich übergehen, hat die Bank damit nichts mehr zu tun, egal, was ich mit den ausgezahlten Zinsen mache. Ich verstehe im Moment noch nicht, weshalb die Bank - wenn sie meiner Meinung nach nichts mehr damit zu tun hat - die ausgezahlten Zinsen noch in die Berechnung des Effektivzinses einfließen lässt. Ganz provokativ: Ich könnte ja die ausgezahlten Zinsen in Bitcoin investieren und (wenn ich Glück habe) einen Riesengewinn machen. Wenn die Bank das zugrundelegen würde, mein Gott, was käme da für ein Effektivzins raus.
Deshalb kann man beides ausweisen, nur eben mit der richtigen Begründung:
Bank 1 sieht es wie du es siehst und sagt: Zinsen sind weg (konsumiert, auf deinem Privatkonto oder was auch immer), also Anlagesumme bleibt 10.000 und diese wird jährlich mit 315 Euro verzinst, also Effektivzins 3,15%.
Bank 2 argumentiert: Die Zinsen 315 Euro und Anlage sind ursächlich miteinander verbunden, sprich ohne die Geldanlage hättest du die 315 Euro Zinsen nicht auf deinem Privatkonto. Da die Bank aber nicht weiß, was du genau damit tust, trifft sie die Annahme, dass diese auf einem unverzinsten Girokonto liegen. Deshalb berechnet diese den Effektivzins mit Anlagesumme mit 3,15% verzinst und Zinsen unverzinst.
Beides ist möglich und die Banken weisen es ja richtig aus (Bank 1 Effektivzins ohne Zinseszinsen und Bank 2 Effektivzins mit Zinseszinsen).
Aber grundsätzlich ein Kompliment an dich, du machst es genau richtig: Egal ob bei Geldanlage oder Darlehen, sich vorher informieren, dass man zu 100% versteht, was man möglicherweise unterschreibt. Niemals, wirklich niemals aus falschem Schamgefühl (der andere könnte mich für "dumm" halten) mit Fragen zurück halten. Wenn du 100 Mal nachfragen musst, dann frage 100 Mal nach. Egal ob in einem Forum, einen zusätzlichen Termin beim Bankberater, telefonsiche Nachfragen oder wie auch immer...