In den USA wird viel investiert. Seit November 2002 wird der Dollar wie wild gedruckt, Steuergeschenke und niedrige Zinsen dienen als Anreiz für die Industrie. 0%-Leasings für Autos als Anreiz für die Konsumenten. Im Gegensatz zu Europa ist der Konsum in den USA konstant geblieben und die Wirtschaft gewinnt langsam wieder an Fahrt.

Die Kehrseite der Medaille sind die gewachsenen Schulden. Doch sind die wirklich so schlimm? Es gibt sogar Stimmen, die behaupten, die Verschuldung sei positiv, da sie die Wirtschaft ankurbelt. Stimmt das?

Ich möchte diese Frage mit einer kleinen Geschichte beantworten, die ich von Bill Bonner geklaut habe. Das englische Original findet sich hier: https://www.321gold.com/editorials/bonner/bonner031505.html

Nehmen wir an, die USA seien eine kleine Gemeinde von vielleicht 100 Einwohnern. Ein Einwohner dieser Gemeinde nimmt - ausserhalb der Gemeinde - einen Kredit von $1 Mio auf. Er gibt nun das Geld mit vollen Händen aus: Er kauft sich ein neues Auto, lässt das Haus erweitern, geht regelmässig in Restaurants essen, leistet sich eine teure Weltreise, schmeisst Parties, spendet an Kirche und Wohltätigkeitsorganisationen etc.

Nach einer Weile ist die Million verbraucht.

Hat er sein Geld nun sinnlos verschwendet?

Nicht unbedingt. Mit seiner gepumpten Million hat er in der Gemeinde einen kleinen Boom ausgelöst, denn Autohändler, Restaurant-Besitzer, Bauunternehmer und Reisebüro-Inhaber wie auch Bäcker und Metzger haben dank ihm sehr gut verdient und können sich nun ihrerseits eine Renovation, ein neues Auto, eine Reise etc. leisten.

Doch nun ist Feierabend. Unser Freund hat seine Million verprasst und muss nun sparen. Er gibt nun sogar weniger aus als vor dem Kredit, denn er muss ja nun die Million inklusive Zinsen zurückbezahlen. Die Geschäftsleute im Dorf merken, dass "irgendetwas anders ist" und ihre Umsätze zurückgehen. Sie können sich vielleicht nur nicht erklären, warum.

Im Endeffekt, also über mehrere Jahre betrachtet, gibt unser Freund in der Summe sogar weniger in der eigenen Gemeinde aus, als wenn er die Million gar nie aufgenommen hätte, denn die Zinsen, die er nun zahlen muss, kommen den lokalen Geschäftsleuten nicht zu Gute.

Er hat zwar $1 Mio in die Gemeinde gebracht aber in den folgenden Jahren fliesen vielleicht $1.2 Mio aus der Gemeinde wieder raus, wenn er den Kredit zurückbezahlt.

Also immer daran denken: Wenn die Amerikaner von heute Geld ausgeben, das ihre Kinder und Enkelkinder noch gar nicht verdient haben, so mag das zwar kurzfristig die Autohändler und Kneipenwirte freuen, doch der Katzenjammer ist nur aufgeschoben.



Ich unterstelle den Amis nicht, dass sie zu wenig investieren. Nur: Ein Drittel des Wirtschaftswachstums im ersten Halbjahr 2003 ging auf das Konto der Rüstung (40%, 27%) und das sind wahrlich keine Gebiete, die volkswirtschaftlich produktiv sind. Es wird durchaus investiert. Allerdings zuviel an der falschen Stelle und zuwenig in Gebieten, wo nachhaltig Jobs geschaffen werden könnten. Doch dazu später mehr.

Das Handelsdefizit der USA erkläre ich mir wie folgt:

a) Der wichtigste US-Wirtschaftszweig sind Computer und Software (60% des BSP). Wir kriegen allerdings diese Computer mittlerweile auch aus Japan, Taiwan und China und die Software aus Indien. Insofern sind da keine allzu grossen Steigerungen in der Exportleistung der USA zu erwarten.

b) Automobile: Die USA haben es verpasst, Sprit-sparende Motoren zu entwickeln. Eine Leistung zu der Europäer und Japaner nach der Ölkrise 1973 gezwungen waren. Das rächt sich nun insofern, als die Benzinpreise weltweit in die Höhe geschossen sind und sich vermehrt auch Amerikaner sparsamere Autos wünschen, diese aber auf dem heimischen Markt nicht finden. Konsequenz ist, dass im Jahr 2003 Toyota die #1 auf dem US-Automobilmarkt geworden ist.

c) Eines der Gebiete, in dem die USA vorne liegen ist Gentechnologie. Da allerdings eine grosse Angst und Abneigung gegenüber genetisch veränderten Nahrungsmitteln besteht, können sie Gentech-Produkte kaum exportieren. Das ist also eine Entwicklung, die sich nicht sofort umsetzen lässt.



Schlussfolgerung:
Die USA produzieren Waren, die andere ebenso produzieren. Und zwar entweder billiger (Elektronik, Computer) oder besser (Autos).
Oder es werden Waren produziert (Gentech), die die Welt nicht braucht bzw. die noch nicht ausgereift sind oder noch in den Kinderschuhen stecken (Nanotech).

Die Welt ist also auf Amerika nicht angewiesen, denn Amerika produziert nichts, das man wo anders nicht auch bekommt.

Andererseits aber benötigen die USA dringend Rohstoffe, die immer teurer werden, weil der Dollar verfällt.

Zurück zu den Investitionen.
Greenspan druckt wie verrückt Geld, macht Geld billig (Zinsen) und stellt dieses Geld jedem zur Verfügung, der es haben will.

Sinn und Zweck der Übung ist nach keynesianischer Theorie, durch kurze Geldspritzen die Investitionen zu fördern und dem Wirtschaftsmotor jenen Kick zu geben, den er braucht um wieder zum Laufen zu kommen. Eine andere Variante staatlicher Eingriffe bestünde übrigens darin, öffentliche Bauaufträge zu vergeben um via Bauindustrie eine Erholung zu forcieren.

Gleichzeitig wird durch Steuererleichterungen sichergestellt, dass die Konsumenten mehr frei verfügbares Geld haben, entsprechend mehr konsumieren und dadurch die Nachfrage anheizen und der Industrie zu mehr Gewinnen verhelfen.

Durch diese zwei Massnahmen gehen dem Staat Einnahmen verloren und er muss sich verschulden. Deshalb sollten diese Massnahmen nie länger als 3-6 Monate anhalten. In einer idealen Welt springt die Nachfrage in die Höhe, die Unternehmen investieren, schaffen neue Jobs, verdienen mehr Geld, zahlen mehr Steuern und so kriegt der Staat das eingeschossene Geld wieder zurück und kann seine Schulden ausgleichen.

Wenn diese Liquiditätsvermehrung zu lange anhält, führt das zu drei Problemen:

1.) Nicht nur Unternehmen kriegen billige Kredite sondern auch Private, Häuslebauer, Kreditkartenbesitzer, Leasingfirmen, die das Geld nicht sinnvoll investieren sondern verkonsumieren und Schulden aufbauen.

2.) Da die Geldmenge stärker wächst als die Wirtschaft, kommt es zwangsläufig nach etwa 2-3 Jahren zu einer Abschwächung der Währung, entsprechend verbunden mit Inflation und steigenden Zinsen.

3.) Was nicht investiert oder verkonsumiert wird, muss irgendwo angelegt werden. Hier bieten sich neben Häusern vor allem Anleihen und Aktien an. Hier steigen also ebenfalls die Preise, die Renditen sinken und es entsteht eine Blase.

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Diese Kombination aus steigender Schuldenlast einerseits und Zinssteigerung andererseits ist hochbrisant, weil sie dem Konsumenten Kaufkraft entzieht, die im Konsum fehlt. Das führt wiederum zu sinkenden Unternehmensgewinnen.

Wichtig ist also die Frage, in welchem Umfang diese Liquidität für Investitionen bzw. Hypotheken oder Konsum eingesetzt wurde.

* Wird das Geld investiert, führt dies zu neuen Jobs, höherem Konsumentenvertrauen und einer Steigerung der Wirtschaftsleistung
* Wird es verkonsumiert führt das kurzfristig zu Wirtschaftswachstum aber nur, wenn dadurch keine Schulden aufgebaut werden, sprich: Die Menschen sich den Konsum auch leisten können.
* Landet das Geld an der Börse oder auf Bankkonten der Superreichen, ist es unproduktiv eingesetzt.


Die Investitionen sind - wie wir wissen - sehr schwach geblieben. Im Gegenteil, die Unternehmen haben abgespeckt, rationalisiert und Leute entlassen bzw. Produktion nach Asien verlagert.

Warum aber haben die US-Unternehmen nicht investiert?
Nun, Unternehmen investieren nur dann, wenn sie höhere Absätze erwarten und ihre Produktionskapazitäten an die Grenze stossen. Ein Unternehmer, der 100 Stück produzieren könnte aber derzeit nur 80 verkauft und seine Schätzungen einen Absatz von 90 voraussagen, wird nicht investieren. Wohl aber, wenn er mit 110 oder 120 Stk. Absatz in Zukunft rechnet.
Natürlich ist die Zeit der Vorausplanung von Branche zu Branche unterschiedlich. Eine Automobilfabrik wird länger planen müssen als eine Spritzguss-Fabrik wegen der Bauzeiten für die Produktionsstätten.
Im Schnitt geht man aber davon aus, dass Investitionstätigkeit einsetzt, wenn die Auslastung bei etwa 87% oder höher liegt.
Nun, 2004 lag die Auslastung der Industrie bei 72% und die Absatz-Aussichten waren nicht sehr optimistisch. Wozu hätte man da also investieren sollen? Selbst wenn die Kredite noch so niedrig sind?
Man kann die Pferde zur Tränke führen aber saufen müssen sie selber.


Das Geld, das für Investitionen vorgesehen war, ist in erster Linie in den Immobilienmarkt geflossen und hat dort die Häuserpreise in irrationale Höhen getrieben (KGV=50).

Zum Zweiten in die Aktienmärkte und hat auch dort die Preise erhöht (KGV 21.7) und die Renditen gedrückt (1.7%)

Zum Dritten in den Privaten Konsum.

Zum Vierten dank Steuersenkung für die Reichen in deren Kassen und da die das Geld nicht brauchen, von dort aus in den Anleihen und Aktienmarkt.

Der Schuss mit der Geldspritze ging nach hinten los.

Die Liquiditätsspritze dauerte nicht wie sinnvoll 3-6 Monate sondern seit November 2002 also bereits über 2-1/2 Jahre.

Die erwarteten positiven Effekte für die Wirtschaft sind ausgeblieben. Der Karren läuft zwar, aber nicht weil der Motor gut läuft sondern weil Alan schiebt!

Geblieben sind die negativen Effekte. Es ist eine Blase an Schulden entstanden in einer Situation, die Zinssenkungen nicht mehr erlaubt und dies bei einsetzender Dollarschwäche.

Hinzu kommt das Handelsdefizit, das das Vertrauen in den Dollar ebenfalls schwächt sowie schwindendes politisches Vertrauen in die USA dank deren aggressiv militärischer Aussenpolitik.


Das will nicht heissen, dass die USA untergehen werden aber jetzt müsste sehr hart gespart werden, wenn die Amis diese Schulden wieder auf legalem Weg abbauen und das Vertrauen wiedererlangen wollen.

Theoretisch müssten die USA nun zwangs-sparen. Der Staat müsste das Handelsdefizit auf Null bringen. Notewendige Massnahmen: Anhebung der zinsen und Steuererhöhungen.
:arrow: 1. Die Steuererhöhungen dienen dazu, den Staatshaushalt wieder zu sanieren.
:arrow: 2. Steuererhöhungen und Zinsen gemeinsam zwingen die Privaten, den Gürtel enger zu schnallen. Der Konsum würde entsprechend einbrechen, da ja nun weniger Geld zur freien Verfügung steht. Dies würde dabei helfen, das Haushaltsdefizit zu senken.
:arrow: 3. Bei steigenden Zinsen würden die Preise von Immobilien korrigieren, die Blase entweder platzen oder im Idealfall deflationieren. Das hätte allerdings zur Folge, dass Eigenheimbesitzer, deren Hypothek 100% des jetzigen Preises beträgt, amortisieren müssten.
:arrow: 4. Durch den gesunkenen Konsum würden die Unternehmensgewinne sinken und somit die Aktienkurse.
:arrow: 5. Punkt 3 und 4 kombinieren sich und schaukeln sich auf: Da die Aktienkurse sinken und die Rendite ohnehin derzeit nur 1.7% beträgt, würden viele EFH-Besitzer ihre Aktien verkaufen, um damit die 13% teuren Kreditkartenschulden zu begleichen und das Haus zu amortisieren. Somit verstärken sie den Verkaufsdruck auf den Aktienmarkt und motivieren immer mehr Aktien-Sparer, ihre Depots zu verkaufen.

Was wir im Endeffekt hätten, wäre eine klassische Rezession und ein typischer Bärenmarkt, der die Börsen auf eine Unterbewertung von KGV 8 korrigiert. Das sind die berühmten 3000 P. im Dow Jones.

Was hier nach Horror-Szenario klingt ist nichts anderes als eine Beschreibung dessen, was ohne Stützungsmassnahmen und Liquiditätsausweitung passieren würde. Passierem müsste und bereits in der Börsengeschichte 29 mal passiert ist.

Natürlich würden dabei viele unrentable Firme in Konkurs gehen, Menschen ihren Job und ihr Haus verlieren. Jeder, der sich finanziell übernommen hat, keine Sparvermögen besitzt oder seine Einnahmen nicht mehr aufrecht erhalten kann, würde leiden und Konkurs gehen.
Aber was sich hier wie ein Horrorszenario liest ist nichts weiter als eine notwendige Bereinigung. Eine Krankheit der Wirtschaft, ein Fieber, das durchlitten werden muss. Die Starken werden überleben und gestärkt aus der Krise hervorgehen, die Schwachen werden sterben. Gesetz der Natur.

Der Vorteil dieses ersten Szenarios wäre, dass danach die Schulden getilgt sind und die Überlebenden gute Zukunftsaussichten haben. Jene Firmen, die nämlich überlebt haben, können sich die Kunden der ehemaligen Konkurrenz teilen und somit wachsen.
Private werden wieder gelernt haben, mit dem auszukommen, was sie verdienen und Anschaffungen aus Erspartem zu finanzieren statt Schulden anzuhäufen (was bei zweistelligen Zinsen ohnehin sinnlos wäre).

Dieses Szenario wäre politisch aber kaum durchsetzbar. Bush könnte es sich zwar leisten, die Steuern und Zinsen zu erhöhen, denn er kann ja ohnehin nicht mehr wiedergewählt werden aber er würde dafür wohl kaum die notwendige Unterstützung bekommen.

Mittlerweile wissen wir auch, dass Bush gar nicht die Absicht hat, das Haushaltsedefizit zu senken. Schliesslich ist es seit der Wahl weiter gestiegen - trotz gegenteiligem Wahlversprechen.


Da Bush also offenbar nicht die USA in eine Rezession, die notwendige Korrektur, führen will, bleiben noch zwei weitere Varianten offen:

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Die zweite Variante besteht darin, einfach so weiterzumachen wie bisher: Es wird also nach wie vor Geld gedruckt, die Zinsen werden niedrig gehalten und durch weitere Steuersenkungen die Staatschulden ausgeweitet. Entsprechend steigen auch die Schulden der Privaten weiter.

Dieses Szenario - das ich für das wahrscheinlichste halte - ist insofern gefährlich als die Kontrolle über die folgenden Ereignisse dem Ausland überlassen werden, es auf Seiten der USA keine Kontrollmöglichkeiten mehr geben wird und es somit zu einem unkontrollierten Wirtschafts-Kollaps a la 1929 kommen könnte.
Warum?
Nun, die USA nehmen pro Arbeitstag $2 Mrd Kredite im Ausland auf. Sie benötigen dieses Geld, um ihren Lebensstandard zu finanzieren.
Was aber passiert nun, wenn die Restwelt nicht mehr bereit ist, den USA immer neue Kredite zu gewähren, weil sie mit steigender Schuldenlast mehr und mehr befürchten müssen, ihr Geld zu verlieren? Wir sprechen dabei nicht von gedruckten Yen-Blüten oder irgend einem virtuellen Stück Papier sondern Geld, das irgend ein sparsamer Arbeiter in Europa oder Asien auf die Seite gelegt hat, um damit seinen Lebensabend sicherzustellen!
Genau so wie die Banken einem Privatmann nicht ewig die Schulden aufstocken weil auch die Immobilienpreise nicht ewig steigen können, werden auch die Zentralbanken dieser Welt nicht unendlich lange neue Kredite gewähren. Mittlerweile haben die Schulden der USA gegenüber der Welt die Grenze von 300% des US-BSP überschritten und die Luft wird langsam dünn.

Was passiert also, wenn die ersten Geldgeber aussteigen und keine US-Assets mehr kaufen?
Nun, je mehr ein Schuldner seine Kreditwürdigkeit verliert um so höher werden die Zinsforderungen für Kredite. Die Preise für Bonds werden also sinken, die Renditen steigen. Damit hätten wir - mit Ausnahme der Steuererhöhungen - exakt die Ausgangssituation des ersten Szenarios. Nur diesmal mit dem Unterschied, dass die Zinsen eben vom Ausland, den Geldgebern bestimmt werden und das ganze Spiel auf einem höheren Schulden-Niveau beginnt.
"The higher you go, the deeper you fall"!
Die Auswirkungen entsprechen also im Wesentlichen dem ersten Szenario aber sie werden etwas später eintreffen und schlimmer ausfallen.
Denn: Mit zunehmendem Vertrauensverlust in die US-Wirtschaft würde auch der Dollar fallen.
Der Dollar ist nichts anderes als eine unbefristete Call-Option auf Dein Vertrauen ins amerikanische Finanzsystem! :idea:


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Die Dritte und letzte Variante wäre, dass neue Technologien den 6. Kontradieff-Zyklus auslösen und einen neuen Wachstumsschub bringen, der die Wirtschaft weltweit zu neuen Höhen führt.

Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um eine in den USA entwickelte Technologie handelt, die sehr schnell auf den Markt gebracht werden kann und den Menschen soviel Nutzen bringt, dass sie bereit sind, dafür Geld auszugeben.
Zum Beispiel etwas ähnliches wie die Dampfmaschine, die Petrochemie, das Auto oder der Mikrochip.

Ausgeschlossen ist Variante 3 nicht. Aber es wäre das erste mal in der Geschichte, dass ein Bullen-Zyklus in den nächsten übergeht ohne eine 10-20-jährige Phase der Bereinigung und Konsolidierung.

Wie die Amerikaner jenen 6. Kondratieff bestimmen oder mitbestimmen werden, ist ungewiss. Wirtschaftliche Stärke im aktuellen Zyklus bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch der nächste Zyklus mitgenommen wird.

England wurde zur Weltmacht, weil es als erstes die Bedeutung von Dampfmaschinen erkannte. England kannte dampfbetriebene Webmaschinen und Eisenbahnen, während in Kontinentaleuropa noch an handbetriebenen Webstühlen gearbeitet und das Tuch mühsam mit Eselskarren durch den Morast transportiert wurde.

England hat aber die Runde der Petrochemie (1906) und des Autos (1950) an Deutschland und die USA verloren, weil es - in seiner Stärke überheblich geworden - die nächsten Zyklen verpasst hatte.

Deutschland wiederum verlor die Runde der Computertechnologie an die USA und Japan, weil man sich in sozial-politischen Debatten über "Jobkiller Computer" verlor anstatt diese Welle mitzureiten.

Was wird der 6. Kondratieff bringen? Wann wird er beginnen? Welche Technologien werden ihn bestimmen? Wer wird Führer, wer Verlierer sein?

Ich weiss es nicht. Es bleibt spannend.

Aber um auf das Thema zurückzukommen: Bevor der nächste Aufschwung beginnt, sind dringend ein paar schwerwiegende Bereinigungen fällig. Das war bisher immer so und ich sehe keinen Grund, weshalb das diesmal anders sein sollte.


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Wer finanziert eigentlich die US-Schulden?

Die grössten Vermögen an US-Bonds werden von Japan, China, Taiwan, Korea, Indien etc. gehalten.

Diese Länder haben ein Problem:
Einerseits haben sie keinerlei Interesse daran, eine Dollar-Verkaufspanik auszulösen, denn dadurch würden sie sich ihres wichtigsten Export-Marktes berauben und nicht nur die USA sondern schlussendlich auch das eigene Land ins Unglück stürzen.
Andererseits aber sehen diese Länder natürlich auch, dass der Dollar kontinuierlich an Wert verliert, und die Schuldenlast der USA bereits solche Höhen erklommen hat, dass eine normale Rückzahlung der Schulden in geordnetem Masse nicht mehr möglich ist. Von daher müssten diese Länder eigentlich ihre US-Bonds verkaufen, um das Risiko eines Kaufkraftverlustes ihrer Ersparnisse zu vermeiden.

Nach neusten Erkenntnissen (Juni 2005) werden von den Haupt-Geldgebern keine neuen US-Schulden mehr aufgekauft. Zwar hat ausser Indien bisher keines dieser Länder grössere Bestände verkauft aber kaufen will auch keines mehr.
Somit stellt sich die Frage, wer dann in den letzten Monaten die täglichen $2 Mrd. an US-Schulden gekauft hat.

Die Antwort lautet: Hedge-Fonds. Vor allem die off-shore funds im britischen Guernsey und in der Karibik (Cayman Islands) haben ihre Positionen an US-T-Bonds in den letzten Monaten massiv ausgestockt.

Nun sind Hedge-Fonds keine politischen und schon gar keine humanitären Organisationen und wir dürfen davon ausgehen, dass sie dies rein aus Profitdenken getan haben. T-Bonds sind eine bequeme Methode, um in grossem Umfang Dollar-Assets zu kaufen.

Die Hedge-Fonds spekulieren mit ihren Bond-Käufen also auf den steigenden Dollar. Mit ihren Käufen haben sie die Preise für T-Bonds nach oben getrieben, deren Renditen (die berühmten "Zinsen am langen Ende") entsprechend nach unten.
Wir können getrost davon ausgehen, dass sie ihre Bonds kalten Arsches auf den Markt werfen, wenn der Dollar demnächst in seinen nächsten Abschwung übergeht. Entsprechend werden die Bond-Preise dann Hand-in-Hand mit dem Dollar sinken und die Zinsen am langen Ende gegen 5% wandern.
Die Auswirkungen, die dies auf den Immobilienmarkt haben dürfte, habe ich gestern bereits ausführlich hier: https://www.hall-of-finance.ch/forum/showpost.php?p=81937&postcount=2109 beschrieben.

Marcus