EuGH: Erste Falschauskunft an Verbraucher ist Irreführung
Schon eine einzelne Falschauskunft eines Gewerbetreibenden gegenüber einem Verbraucher stellt eine irreführende Geschäftspraxis dar, die von Konkurrenten abgemahnt werden kann (EuGH, Urteil vom 16.04.2015, Az. C-388/13).
Geldbuße wegen Falschauskunft gegenüber Verbraucher
In dem vom EuGH entschiedenen Fall wollte ein ungarischer Verbraucher seinen Vertrag bei einem Kabelfernsehdienstleister kündigen. Zu diesem Zweck forderte er das Unternehmen auf, ihm den nächstmöglichen Zeitpunkt für eine Kündigung mitzuteilen. Das Unternehmen informierte ihn jedoch falsch, woraufhin dem Verbraucher weitere Kosten entstanden.
Der Verbraucher beschwerte sich daraufhin bei der ungarischen Verbraucherschutzinspektion, die gegen das Unternehmen eine Geldbuße wegen unlauterer Geschäftspraxis festsetzte. Der Kabelfernsehdienstleister wendete sich gerichtlich gegen die Geldbuße. Nachdem die Rechtmäßigkeit der Geldbuße zunächst bestätigt worden war, hob eine höhere Instanz die Entscheidung schließlich auf, da das Unternehmen nicht den Vorsatz gehabt habe, den Verbraucher zu täuschen. Vielmehr habe es sich bei der falschen Auskunft nur um ein Redaktionsversehen gehandelt. Der Verbraucher hätte sich die gewünschte Information zudem auch leicht aus anderen Quellen beschaffen können.
EuGH bejaht „Geschäftspraxis“ bereits bei einmaliger Handlung
Der daraufhin angerufene Oberste Gerichtshof Ungarns (Kúria) setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) so auszulegen ist, dass bereits eine unwahre Angabe gegenüber nur einem einzelnen Verbraucher eine Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie sein kann.
Der EuGH entschied nun, dass eine Geschäftspraxis bereits dann vorliegt, wenn die Handlung des Unternehmers nur einen einzigen Verbraucher betrifft. Dies folge bereits aus dem Ziel der UGP-Richtlinie, die ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten soll. Ein Nachweis, dass weitere Verbraucher durch ein bestimmtes Verhalten des Unternehmers geschädigt wurden, wäre zudem für den Verbraucher in der Praxis nur äußerst schwer zu erbringen, was ebenfalls dem Ziel der Richtlinie entgegenstehen würde.
EuGH: Fehlender Vorsatz des Unternehmens unbeachtlich
Gleichzeitig stellt der EuGH klar, dass es unbeachtlich sei, ob der Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Eben sowenig komme es darauf an, ob dem Verbraucher ein Schaden entstanden ist. Im Fall war es deshalb unbeachtlich, dass die falsche Mitteilung seitens des Kabelfernsehdienstleisters zum Kündigungsdatum auf einem Versehen beruhte. Ausreichend war laut EuGH, dass der Gewerbetreibende eine objektiv falsche Auskunft erteilt hat, die geeignet ist, einen nachteiligen Einfluss auf eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers auszuüben. Auf der Einwand, der Verbraucher habe sich die richtige Auskunft selbst hätte beschaffen können, wurde vom EuGH nicht anerkannt. Ziel der Richtlinie sei es, den Verbraucher, der sich gegenüber dem Gewerbetreibenden hinsichtlich des Informationsniveaus in einer unterlegenen Position befinde, zu schützen.
Strenge Anforderungen an Richtigkeit von Unternehmenshandlungen
Die Entscheidung des EuGH hat weitreichende Auswirkungen, auch für den Onlinehandel. Händler sind verpflichtet, ihren Kunden einen guten Service zu bieten. Dieser umfasst korrekte Auskünfte auf Fragen zu Laufzeiten von Verträgen ö.ä. Beispiele für solche Fragen könnten außerdem sein:
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Bereits einzelne Falschangaben – sei es auch aus Versehen – können spätestens seit dem Urteil des EuGH weitreichende Folgen für den (Online-)Händler haben, insbesondere Abmahnungen von Mitbewerbern wegen Irreführung.