Makler: Wann endet die Unabhängigkeit? Detlef Pohl Berater
Versicherungsmakler gelten als unabhängig. Doch welche Kriterien belegen diesen Status und wann endet die Unabhängigkeit? Das OLG München hat dazu vor zwei Jahren ein interessantes Urteil gefällt. Und ein Maklerverband relativiert das Verivox-Urteil.
Versicherungsmakler sehen ihre Unabhängigkeit vor allem in der Möglichkeit zur freien Produktauswahl, in unterbliebenen Produktvorgaben der Versicherer, unterbliebener Einflussnahme von Führungskräften der Versicherer und der Chance auf Maklervollmachten der Kunden. Das hatte kürzlich die Studie „Pools und Dienstleister für Versicherungsmakler“ ergeben, die Professor Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund erstellt hat.
Zu den Faktoren, die die Unabhängigkeit einschränken können, könnten „kostenlose“ Dienste von Pools zählen, etwa Vergleichs- und Beratungssoftware.
Solche Programme ersetzen nicht die ergänzende Marktrecherche, hat das OLG Karlsruhe entschieden (Az.: 6 U 82/20 - rechtskräftig). Demnach muss eine ausgewogene Marktanalyse über 50 Prozent der am Markt vertretenen Anbieter einbeziehen – bei geringerem Umfang hat der Makler Hinweispflichten zu beachten, so die Verbände AfW und Votum.
Hinweispflichten aus Verivox-Urteil für Makler notwendig?
Das sieht der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) anders, dessen Mitglieder nach eigenem Bekunden stets im oberen Drittel des Marktangebotes beraten und Versicherungsschutz eindecken (best practice). „Bereits im Maklervertrag wird deutlich gemacht, auf welcher Grundlage der Makler überhaupt tätig wird und welche Auswahlkriterien vorliegen“, sagt BDVM-Chef Hans Georg Jenssen. Das Preis-Leistungsverhältnis sei ein weiteres Kriterium, die Stabilität des Versicherers und des Angebotes, Erfahrungen in der Qualität der Vertragsverwaltung und Schadenabwicklung, reibungslose Korrespondenz der Beteiligten, gehörten ebenfalls bei der Auswahl-Entscheidung dazu.
„Mit einem solchen Maklervertrag wird der Erwartungshorizont des Kunden bereits am Anfang der Vertragsbeziehung richtig eingestellt“, weiß Rechtsanwalt Jenssen aus langjähriger Erfahrung.
Reine „Preisfüchse“ seien bei einem Versicherungsmakler und solchen Vertragsgrundlagen nicht richtig aufgehoben.
BDVM mit klarer Position zur Unabhängigkeit
Der BDVM empfiehlt seinen Mitgliedern ausdrücklich die Bestimmung im Maklervertrag, „dass Versicherungen nicht an Direktversicherer oder Unternehmen vermittelt werden, die dem Makler keine Vergütung gewähren“, so Jenssen weiter. Dies werde auch nicht irgendwo verdeutlicht, sondern am Anfang der Geschäftsbeziehung. „Wie soll der Versicherungsmakler, der nach dem gesetzlichen Leitbild eine Vermittlungsleistung schuldet, diese bewerkstelligen, wenn der Versicherer mit ihm nichts zu tun haben will?“, fragt Jenssen rhetorisch. Darüber habe sich das OLG Karlsruhe offensichtlich keine Gedanken gemacht.
Nach der Satzung des BDVM ist man unter anderem dann kein Versicherungsmakler, wenn die nach dem Berufsbild erforderliche Unabhängigkeit fehlt. Dies gelte insbesondere, wenn ein agenturähnliches Verhältnis zu einem oder mehreren Versicherern besteht oder Geschäftsanteile oder Aktien der Maklerfirma von oder für Unternehmen der versicherungsgebenden oder der versicherungsnehmenden Wirtschaft gehalten werden und dadurch eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht.
Apropos Geschäftsanteile: Der Auftritt eines Maklers ist nicht schon deshalb wettbewerbswidrig (nach Paragraf 5 Absatz 1 UWG), weil ein Versicherer die Mehrheitsbeteiligung an der Maklerfirma besitzt. Ein Maklerunternehmen, das zu 100 Prozent einem Versicherer gehört, darf aber nicht damit werben, unabhängig und neutral zu sein. Das entschied das OLG München mit Urteil vom 16. Januar 2020 (Az.: 29 U 1834/18 – rechtskräftig).
OLG: Unabhängiger Makler muss 50,1 Prozent der Anteile halten
Das Gericht beschäftigte sich auch mit der Frage, wann ein Makler nicht mehr unabhängig ist. Im konkreten Fall wollte ein Makler dem anderen die Makler-Bezeichnung verbieten, weil die Firma zu 100 Prozent einem Lebensversicherer gehört. Die Beteiligung führte das Maklerunternehmen in seinen Erstinformationen auf. Zugleich gab es an, unabhängig und neutral zu sein sowie ausschließlich die Interessen seiner Kunden zu vertreten.
Unabhängig und neutral könne der Makler im Besitz eines Versicherers nicht sein, daher sei diese Aussage irreführend, befand das OLG München. Dagegen sei der sonstige Marktauftritt des Maklers rechtlich zulässig, auch wenn die Mehrheit der Unternehmensanteile von einem Versicherer gehalten wird. Darüber klärte der Makler korrekt auf. Allerdings muss er es nun unterlassen, sich unabhängig und neutral zu bezeichnen. Laut OLG könne das allenfalls der Fall sein, wenn der Versicherer maximal zu 49,9 Prozent beteiligt ist. Gleichwohl komme es immer auf die Umstände des Einzelfalls an.
BGH hat Berufsbild des Maklers ausgeurteilt
BDVM-Geschäftsführer Jenssen verweist darauf, dass der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2016 in einem Urteil zur Hilfe des Maklers bei der Schadenregulierung die Bausteine des Berufsbildes eines Versicherungsmaklers klargestellt hat (Az.: I ZR 107/14). Dies seien vor allem die neutrale Risikoerfassung und Risikobewertung, Versicherungsschutzerfassung und -bewertung, unabhängige Platzierung/Abschluss der Versicherungspolice, Vertragsbetreuung (samt Überprüfung des Schutzes auf etwaige Anpassung) und Schadenassistenz (allerdings nicht im Auftrag des Versicherers).
Für Versicherungsmakler ist laut BGH die gesetzliche Definition maßgeblich (nach Paragraf 59 Absatz 3 VVG).
Demnach ist Versicherungsmakler, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Damit unterscheidet sich das Berufsbild grundlegend von dem des Handelsmaklers (nach Paragraf 98 HGB), der grundsätzlich von beiden Parteien beauftragt wird, und vom Berufsbild anderer Makler (nach Paragraf 652 BGB).
Sachwalter des Kunden, obwohl vom Versicherer bezahlt
Der BGH bestätigte mit dem Urteil auch sein über 36 Jahre zuvor gefälltes Sachwalter-Urteil. Demnach ist der Versicherungsmakler treuhänderischer Sachwalter des Versicherungsnehmers, auch wenn er sein „Vermittlungshonorar als Courtage für den Abschluss vom Versicherer bezieht“ (BGH-Urteil vom 22. Mai 1985; Az.: IVa ZR 190/83).