Das Erbe verteilen und mit dem Nießbrauch das Wohnrecht sichern
Das Wichtigste in Kürze
• Der Nießbrauch ist ein umfassendes Nutzungsrecht am Eigentum. Der Nießbrauchsberechtigte kann zum Beispiel eine Immobilie nutzen und sie auch vermieten.
• Bei der sogenannten vorweggenommenen Erbfolge spielt der Nießbrauch eine große Rolle: Zukünftige Erben, oft die Kinder, werden dann zum Beispiel Eigentümer einer Immobilie, die die Eltern aber nach wie vor nutzen möchten. Der Nießbrauch wird dann zugunsten der Eltern ins Grundbuch eingetragen.
• Der Inhaber eines Nießbrauchsrechts kann es nicht vererben und nicht veräußern. Das Recht erlischt mit dem Tod des Nießbrauchsberechtigten.
So gehst Du vor
• Wer zu seinen Lebzeiten Vermögen verschenkt, sollte sich an einer Immobilie ein Nießbrauchsrecht eintragen lassen, sofern er selbst darin wohnen will oder auf die Mieteinkünfte angewiesen ist.
• Durch Schenkungen zu Lebzeiten lässt sich Erbschaftsteuer sparen, weil die Beschenkten und Erben die alle zehn Jahre anfallenden Freibeträge für Kinder und Enkelkinder mehrfach ausnutzen können. Zudem wird der Wert des Nießbrauchs bei der Schenkungsteuer berücksichtigt.
• Lasse Dich umfassend von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten, wenn Du Übergabeverträge mit einem Nießbrauch aufsetzen willst, denn die damit verbundenen rechtlichen und steuerlichen Fragen sind komplex.
Wer etwas Vermögen angespart hat und Immobilien besitzt, denkt meist irgendwann darüber nach, das Erbe ganz oder teilweise schon zu Lebzeiten an die Kinder oder andere Menschen zu übertragen. Es gibt gute Gründe dafür: zum einen steuerliche, vielleicht auch, um Streit unter den späteren Erben zu verhindern. Oder der Schenkende will die Immobilie dem Zugriff des Sozialamts entziehen, falls er mal ein Pflegefall wird. In diesem Kontext stößt man oft auf den Begriff Nießbrauch.
1 Was bedeutet Nießbrauch?
Der Nießbrauch ist ein umfassendes Nutzungsrecht am Eigentum (§ 1030 BGB). Das kann mit einer Zahlung verbunden sein oder mit einer Schenkung, ohne dass der Eigentümer dafür Geld verlangt. Möglich ist ein Nießbrauch zum Beispiel an einem Unternehmen, an Wertpapieren, an Kapitalbeteiligungen und an Grundstücken.
Der Nießbrauch an einer Immobilie ist in der Praxis der häufigste Fall. Dazu muss ein Notar die Bestellung eines Nießbrauchs beurkunden und im Grundbuch eintragen lassen. So bleibt das Nießbrauchsrecht auch bei einem Verkauf des Grundstücks bestehen und wird auch bei einer Zwangsvollstreckung berücksichtigt.
Nießbrauch ist ein persönliches Recht
Wer ein Nießbrauchsrecht hat, kann dieses Recht nicht weiter veräußern oder vererben (§§ 1059, 1061 BGB). Es erlischt deshalb in der Regel mit dem Tode des Nießbrauchers.
Die Beteiligten können aber auch andere Gründe festlegen, wann das Nießbrauchsrecht entfallen soll, etwa durch den Ablauf einer Frist oder weil der überlebende Ehepartner und Nießbrauchsinhaber wieder heiratet. Dann enthält der sogenannte Überlassungsvertrag meist eine Rückübertragungsverpflichtung.
Die Beteiligten können das Recht außerdem einverständlich aufheben (§ 1062 BGB) – oder der Inhaber des Nießbrauchsrecht gibt es einfach auf.
2 Wer trägt die Kosten für Reparaturen oder Versicherungen?
Wer Eigentümer eines Grundstücks ist, das mit einem Nießbrauchsrecht belastetet ist, trägt nicht allein alle Lasten und Kosten für die Immobilie. Der Inhaber des Nießbrauchsrechts zahlt die gewöhnlichen Lasten und Kosten, wie etwa Grundsteuern und Hypothekenzinsen (§§ 1047, 1041 BGB). Außerordentliche Lasten sowie außergewöhnliche Instandhaltungsmaßnahmen muss der Eigentümer finanzieren. So sieht es das Gesetz vor. Andere Vereinbarungen sind aber möglich.
Wenn der Nießbraucher Vermieter wird
Der Nießbraucher kann die Immobilie auch vermieten. Rechtlich tritt er an die Stelle des Eigentümers als Vermieter (§ 567 BGB). Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung muss der Nießbrauchsberechtigte versteuern. Werbungskosten kann er zwar absetzen, die Abschreibungen verbleiben aber grundsätzlich beim Eigentümer.
3 Welche Funktion hat Nießbrauch bei vorweggenommener Erbfolge?
Der Nießbrauch spielt bei der Vermögensübertragung im Wege der sogenannten vorweggenommenen Erbfolge eine Rolle. Dabei werden meist diejenigen begünstigt, die nach dem Tod ohnehin erben würden. Die zukünftigen Erben, oft die Kinder, werden dann zum Beispiel Eigentümer einer Immobilie, die die Eltern aber nach wie vor nutzen möchten: Entweder weil sie selbst dort wohnen oder die Immobilie vermieten wollen. In diesen Fällen übertragen die Eltern das Eigentum schon zu Lebzeiten auf die Kinder und bekommen selbst ein Nießbrauchsrecht.
Abgrenzung zum Wohnrecht - Bei einer vorweggenommenen Erbfolge stellt sich die Familie oft die Frage, ob für die Eltern ein lebenslanges Wohnrecht oder ein Nießbrauch besser ist. Sowohl der Nießbrauch als auch das Wohnrecht lassen sich mit einem Grundbucheintrag sichern. Beide Rechte gelten gegenüber jedermann, auch wenn die Immobilie zum Beispiel verkauft wird. Das Wohnrecht aber ist rechtlich weniger wert als der Nießbrauch. Denn damit kann man die Immobilie zwar selbst bewohnen, aber nicht vermieten, wenn man etwa wegen Pflegebedürftigkeit ins Heim muss. Das ist beim Nießbrauch anders: Selbst wenn die Eltern nicht mehr in der Wohnung leben, können sie damit Mieteinnahmen erwirtschaften.
Vereinbarung zu den Lasten - Hat der alleinige Eigentümer zum Beispiel nur eine geringe Rente und kann deshalb die laufenden Kosten für das Haus nicht mehr tragen, kann er es im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schon zu Lebzeiten an seinen Erben verschenken und sich den Nießbrauch vorbehalten. Um den Nießbrauchsberechtigten von den laufenden Kosten zu befreien, vereinbaren beide Parteien, dass der Beschenkte sämtliche Kosten übernimmt, sowohl die gewöhnlichen als auch die außergewöhnlichen.
Ist das Grundstück noch nicht abbezahlt, vereinbaren die Beteiligten häufig zudem eine Übernahme der Grundschuld sowie der noch laufenden Darlehen. So wird der Erbe schon zu Lebzeiten Eigentümer, der Erblasser kann aber bis zu seinem Tod im Haus wohnen, ohne die laufenden Kosten weiter zahlen zu müssen.
Auswirkungen auf den Pflichtteil - Wer einen unliebsamen Erben von der Erbfolge ausschließen will, ärgert sich meist darüber, dass der Enterbte trotzdem noch seinen Pflichtteil beanspruchen kann. Um den Anteil besonders klein zu halten, muss der Nachlass kleiner werden. Das lässt sich erreichen, indem man schon zu Lebzeiten zum Beispiel Immobilien verschenkt. Dann hat der Enterbte nur noch einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Je länger die Schenkung zurückliegt, desto weniger bekommt er. Sind zwischen Schenkung und Erbfall mehr als zehn Jahre vergangen, geht der Pflichtteilsberechtigte leer aus.
Anders ist das bei einer Schenkung und einem gleichzeitigen Nießbrauch: Der Enterbte kann seinen Pflichtteil an der verschenkten Immobilie einfordern – und zwar auch dann, wenn die Schenkung schon länger als zehn Jahre zurück liegt. Der Pflichtteilsberechtigte hat bei einer Schenkung mit Nießbrauch immer einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung (BGH, Urteil vom 27. April 1994, Az. IV ZR 132/93). Wer also eine Immobilie zu Lebzeiten verschenkt, um den Pflichtteil eines unliebsamen Erben zu schmälern, darf sich dabei keinen Nießbrauch einräumen lassen.
4 Kann man mit einem Nießbrauch Steuern sparen?
Eltern schenken ihren Kindern zu Lebzeiten oft ein Haus, und zur Absicherung der Eltern vereinbart die Familie, dass die Eltern das Nießbrauchsrecht an dem Haus weiter inne haben. Wegen der Schenkung und Eigentumsübertragung wird Schenkungsteuer fällig. Dabei muss das Finanzamt aber den Wert des Nießbrauchs vom zu versteuernden Schenkungswert abziehen. Dadurch fällt im Ergebnis weniger Schenkungsteuer an.
Grundlage für die Berechnung ist das Bewertungsgesetz (§ 14 BewG). Die Summe der jährlichen Mieteinnahmen wird um die Werbungskosten reduziert. Dieser Jahreswert wird dann mit einem sogenannten Vervielfältiger multipliziert, um anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung die ungefähre Dauer des Nießbrauchs zu berücksichtigen. Je älter der Nießbrauchsberechtigte bei der Übertragung ist, desto weniger ist das Recht wert.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlicht jährlich eine Tabelle zur Bewertung des lebenslänglichen Rechts und berücksichtigt dabei die durchschnittliche Lebenserwartung. In der Tabelle kann man das Alter des Berechtigten beim Vertragsschluss ablesen und erhält den Vervielfältiger. Die Tabellen sind nach Frauen und Männern getrennt, da Frauen statistisch länger leben. Deren Nießbrauchsrecht ist deshalb mehr wert.
Beispiel: Ein Mann besitzt eine Eigentumswohnung in München. Diese ist zu einer Netto-Miete von 1.000 Euro vermietet. Der Mann ist 60 Jahre alt und möchte die Wohnung seinem Sohn schenken. Der steuerliche Wert der Wohnung beträgt 450.000 Euro. Dem Sohn steht gegenüber seinem Vater ein persönlicher Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro zu (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Würde der Vater die Wohnung ohne Nießbrauch auf seinen Sohn übertragen, müsste dieser die Differenz von 50.000 Euro mit einem Steuertarif von 7 Prozent versteuern (§ 19 ErbStG). Es fallen also 3.500 Euro Schenkungsteuer an.
Überträgt der Vater die Wohnung mit Nießbrauch auf seinen Sohn, fällt keine Schenkungsteuer an, da der Wert des Nießbrauchs vom steuerlichen Wert der Wohnung abgezogen wird.
Der Jahreswert der Wohnung beträgt 11.000 Euro. Der Vervielfältiger beläuft sich nach der BMF-Tabelle auf 12,858, da der Vater bei der Übertragung 60 Jahre alt ist (Stand: August 2021). Der Kapitalwert des Nießbrauchsrechts beträgt 11.000 Euro x 12,858 = 141.438 Euro. Dadurch reduziert sich der Wert der übertragenen Wohnung um diesen Wert, also auf 308.562 Euro. Nach Berücksichtigung des Freibetrags des Sohnes in Höhe von 400.000 Euro fallen keine Schenkungsteuern an.
Zudem lässt sich durch Schenkungen zu Lebzeiten Erbschaftsteuer sparen, weil die Beschenkten und Erben Freibeträge für Kinder und Enkelkinder mehrfach ausnützen können, da sie alle zehn Jahre neu anfallen.
Grunderwerbsteuer
Bei der Übertragung eines Nießbrauchsrechts an einer Immobilie können auch Grunderwerbsteuern anfallen. Freibeträge, die bei der Festsetzung der Schenkungsteuer abgezogen werden, mindern die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht (FG Nürnberg, Urteil vom 5. März 2015, Az. 4 K 410/13).
Aber: Schenkungen unter Eheleuten oder in gerader Verwandtschaftslinie (also etwa von Eltern zu Kind) bleiben von der Grunderwerbsteuer ausgenommen (§ 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG). Problematisch wird es jedoch insbesondere unter Geschwistern.
5Nießbrauch zur Versorgung eines Dritten?
Mit einem Nießbrauch will der Eigentümer oft auch jemand anders versorgen, zum Beispiel seinen Ehegatten.
Versorgungsnießbrauch
Ein sogenannter Versorgungsnießbrauch ist bei Eheleuten üblich, falls einer Alleineigentümer einer Immobilie ist und sich das Ehepaar zum Beispiel gegen ein Berliner Testament entschieden hat, weil es auf die gesetzliche Erbfolge vertraut. Der Nießbrauch kann durchaus eine sinnvolle Alternative zum Berliner Testament und zur Vor- und Nacherbschaft sein. So hilft die Begünstigung der Erben trotz Nießbrauchs bereits im ersten Erbfall, Erbschaftsteuern zu sparen und Pflichtteilsgefahren abzuwehren.
Beispiel: Ein Ehepaar lebt in einer Zugewinngemeinschaft und hat zwei Kinder. Das Familienheim gehört allein der Ehefrau. Sie möchte kein Testament aufsetzen, sondern vertraut auf die gesetzliche Erbfolge. Da ihr Ehemann nach ihrem Tod nur die Hälfte neben den beiden Kindern erbt, räumt sie ihm bereits zu Lebzeiten ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Haus ein. Nach dem Tod der Ehefrau fällt das Haus in den Nachlass und gehört der Erbengemeinschaft, bestehend aus den beiden Kindern und dem Ehemann. Das Haus darf aber der Ehemann bis zu seinem Tod alleine nutzen. Er ist durch den Nießbrauch versorgt.
Vermächtnisnießbrauch
Ein Erblasser kann im Testament festlegen, dass sein Erbe einer weiteren Person ein Nießbrauchsrecht einräumen muss. Beispiel: Das Kind wird laut Testament Alleinerbe, der Partner des Verstorbenen soll zwar nicht erben, aber mit einem Vermächtnis wirtschaftlich versorgt sein. Dann verpflichtet er seinen Erben dazu, jemand anders zunächst die Erträge aus dem geerbten Grundvermögen auszuzahlen. Der Erbe als neuer Eigentümer hat nach dem Erbfall deshalb weder Einnahmen noch Werbungskosten. Das ändert sich erst, wenn das Nießbrauchsrecht endet – meist, wenn der Inhaber des Rechts verstirbt.
6Wie wird Nießbrauch beim Bezug von Sozialleistungen angerechnet?
Kommt der Inhaber eines Nießbrauchsrechts in ein Pflegeheim, versucht das Sozialamt, das Nießbrauchsrecht in bare Münze zu verwandeln, sofern es zunächst die Kosten der Heimunterbringung übernommen hat. Vor Bezug von Sozialhilfe muss der Bedürftige sein gesamtes verwertbares Vermögen einsetzen (§ 90 Abs. 1 SGB XII). Dabei greift die Behörde entweder auf Mieteinnahmen des Nießbrauchsinhabers zurück oder versucht, die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt rückgängig zu machen.
Mieteinnahmen aus dem Nießbrauch - Der Nießbrauch unterliegt als umfassendes Nutzungsrecht dem Zugriff des Sozialleistungsträgers. Erzielt der Nießbrauchsinhaber Mieteinnahmen, muss er diese Einnahmen nutzen, um die Kosten des Pflegeheims zu bezahlen. Statt des Nießbrauchs verlangt das Sozialamt aber oft eine Geldzahlung als finanzielle Abgeltung vom Beschenkten. Ist die Wohnung jedoch nicht vermietet, darf der Träger keine Forderungen stellen. Es besteht nämlich keine Vermietungspflicht des Nießbrauchers (OLG Köln, Beschluss vom 24. Juni 2011, Az. 11 U 43/11).
Das sehen Sozialhilfeträger allerdings manchmal anders. Sie gehen davon aus, dass der Inhaber des Nießbrauchsrechts sozialhilferechtlich verpflichtet ist, das Grundstück auch gegen den Willen des Eigentümers zu vermieten.
Schenkung rückgängig machen - Haben Eltern im Wege der vorweggenommen Erbfolge den Kindern eine Immobilie geschenkt, können aber die Pflegekosten selbst nicht zahlen, darf ein Sozialhilfeträger von den verarmten Schenkern unter Umständen auch verlangen, dass sie die Schenkung rückgängig machen. Ausgeschlossen ist das nur, falls zwischen Schenkung und Eintritt der Bedürftigkeit zehn Jahre oder mehr verstrichen sind (§ 529 Abs. 1 BGB). Dann ist der Grundbesitz dem Zugriff der Behörde entzogen.
Eine solche Schenkung bewerten die Gerichte grundsätzlich auch nicht als sittenwidrige Benachteiligung des Sozialhilfeträgers.