Schmerzensgeld wegen fehlerhafter SCHUFA-Meldung
Vom sogenannten SCHUFA-Eintrag hat fast jeder schon einmal gehört. Was nur Wenige wissen: Die meisten der als SCHUFA-Einträge bezeichneten Einträge sind positiv. Sogenannte Negativeinträge sind die Ausnahme, denn ein überwiegender Teil aller Einträge ist positiv. Welche Auswirkungen ein Negativeintrag haben kann, soll in diesem Beitrag anhand einer gerichtlichen Entscheidung erläutert werden.
Das LG Lüneburg hat mit Urteil vom 14.7.2020 (Az. 9 O 145/19) eine Bank dazu verurteilt, eine SCHUFA-Meldung zu widerrufen und dem betroffenen Bankkunden ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.000 Euro zu bezahlen.
Was war passiert?
Der klagende Bankkunde unterhielt bei der beklagten Bank ein Girokonto. Für dieses Konto galten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank. Gemäß Ziff. 19 Abs. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die Bank das Recht, die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftsbeziehungen fristlos aus wichtigem Grund zu kündigen. Diese Regelung entspricht den üblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen aller Banken. Auf dem Konto wurde dem Bankkunden Anfang 2017 einen Dispositionskredit über 1.000 Euro zur Verfügung gestellt. Am 10.7.2018 überschritt der Bankkunde den ihm eingeräumten Dispositionskredit i.H.v. 20 Euro, so dass der Sollsaldo 1.020 Euro betrug. Die beklagte Bank teilte ihrem Kunden am selben Tag durch maschinell unterschriebenes Schreiben mit, dass der Dispositionskredit nicht mehr zur Verfügung gestellt werden könne. Innerhalb weniger Tage glich der Bankkunde die überzogenen 20 Euro aus. In der Folgezeit wurden von Seiten der Bank keine weiteren Verfügungen mehr über das Konto zugelassen und es kam zu mehreren Lastschrift-Rückgaben, über die der Bankkunde informiert wurde. Die beklagte Bank kündigte schließlich die Kontoverbindung mit Schreiben vom 10.9.2018 aus wichtigem Grund und stützte sich dabei auf den Kündigungsgrund aus Ziff. 19 Abs. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Bank setzte dem Kunden eine Frist zur Ausgleichung des Saldos. Dieser Saldo wurde innerhalb der gesetzten Frist ausgeglichen. In der Folgezeit wurde das Konto vollständig abgewickelt und gelöscht. Gleichwohl meldete die beklagte Bank am 18.9.2018 die Fälligstellung des Kredits an die SCHUFA. Nach Abwicklung des Kontos übermittelte die Bank dann eine Erledigtmeldung an die SCHUFA. Der klagende Bankkunde vertrat die Auffassung, die Einmeldung zum 10.9.2018 sei rechtswidrig und forderte den Widerruf dieser, sowie die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 10.000 Euro.
Die Entscheidung des Gerichts
Das LG stand dem klagenden Bankkunden einen Anspruch auf Widerruf der von der Bank veranlassten Datenübermittlung an die SCHUFA gemäß §§ 1004 Abs. 1, 826 BGB analog i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu und hielt die Übermittlung personenbezogener Daten an die SCHUFA für rechtswidrig. Eine nicht mit den Bestimmungen der DSGVO konforme Übermittlung personenbezogener Daten sei als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren. Die Einmeldung vom 10.9.2018 war nach Auffassung des LG unter mehreren Gesichtspunkten rechtswidrig. Rechtlich richte sich die Befugnis, Daten von Schuldnern an Auskunfteien zu übermitteln, nach Art. 6 Absatz 1 S. 1 f) und Abs. 4 DSGVO. Erforderlich für die Übermittlung dieser Daten sei demnach die Wahrnehmung eines berechtigten Interesses. Zusätzlich sei eine Abwägung vorzunehmen, ob die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person die Interessen des Datenver-wenders im Einzelfall überwiegen. Die Voraussetzungen des berechtigten Interesses und der Abwägungskriterien für die widerstreitenden Interessen des Betroffenen werden durch § 31 Abs. 2 BDSG in gesetzlich und praktisch handhabbare Weise konkretisiert. Hierbei muss das übermittelnde Kreditinstitut darlegen und beweisen, dass die Übermittlung von Daten zulässig ist. Diese Interessenabwägung fiel nicht zu Gunsten der Bank aus; das LG meinte, die Bank habe kein berechtigtes Interesse an der Datenübermittlung an die SCHUFA. Zum einen sei der vorgeblich rückständige Betrag, der in der Einmeldung zum Ereignisdatum 10.9.2018 genannt war, unzutreffend.
Zum anderen betrug der Sollsaldo am 10.9.2018 lediglich 1,89 Euro. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass der Kläger die Überziehung des Dispositions-kredits sofort nach dem Erhalt des Schreibens vom 10.7.2018 ausgeglichen habe. Voraussetzung für eine wirksame Kündigung des Dispokredits sei nach § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BDSG außerdem, dass der Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden sei, die erste Mahnung mindestens vier Wochen zurückliege und der Schuldner zuvor über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist. Dies alles hatte die Bank hier nicht berücksichtigt. Außerdem drohte durch eine Meldung bei der SCHUFA mittelbar eine potenzielle Stigmatisierung, dass der Gemeldete zahlungsunfähig bzw. nicht kreditwürdig sei, was durch einen Eintrag bei der SCHUFA entstehen könne. Das Interesse des Bankkunden, wonach seine Daten nicht an die SCHUFA gemeldet werden und gegebenenfalls durch unbekannte Dritte eingesehen werden können, war besonders schützenswert. Das LG sprach dem Bankkunden jedoch nicht nur einen Anspruch auf Widerruf der Datenübermittlung zu, sondern auch noch einen Schmerzensgeldanspruch. Nach Art. 82 DSGVO seien auch immaterielle Schäden auszugleichen. Durch die Weitergabe seiner Daten sei dem Kläger ein solcher immaterieller Schaden entstanden, so dass ihm ein Schmerzensgeld zuzusprechen sei.
Fazit
Es braucht keine große Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass die Entscheidung des LG Lüneburg für einige Aufmerksamkeit gesorgt hat. Schon die Einmeldung eines falschen Betrages an die SCHUFA machte diese rechtswidrig und führte dazu, dass der Bankkunde einen Anspruch auf Widerruf dieser Meldung und dazu noch einen Schmerzensgeldanspruch haben kann. Entscheidend ist auch nicht, ob der Fehler in der Meldung gravierend ist oder möglicherweise nur einige wenige Euro beträgt. Falsch ist falsch. Die Marktstellung der SCHUFA ist enorm. Nach eigenen Angaben verfügt die SCHUFA über Daten zu 67,9 Millionen natürlichen Personen und 6 Millionen Unternehmen. 10.000 Unternehmen beziehen Daten von der SCHUFA. Verlässliche und korrekte Daten sind daher von entscheidender Bedeutung für dieses System. SCHUFA-Einträge führen dazu, dass Verbraucher keinen Kredit mehr bekommen und noch nicht einmal einen Handyvertrag abschließen können. Ein SCHUFA-Eintrag greift somit ganz erheblich in das tägliche Leben ein und kann zu erheblichen Nachteilen führen. Es bleibt abzuwarten, ob Banken und andere Unternehmen, die der SCHUFA Meldung machen, aufgrund des Urteils des LG Lüneburg zukünftig vorsichtiger sein werden, droht doch eine Schmerzensgeldzahlung.
Autor: Alexander Heinrich Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH