BGH fällt wegweisendes Urteil zur Reichweite des Auskunftsanspruchs über personenbezogene Daten
Liebe Leserinnen und Leser, im nachfolgenden Beitrag beleuchtet unser Gastautor Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht & Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow, ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH Az. VI ZR 576/19).
Dabei geht es erneut um die Frage:
Wie weit geht der Auskunftsanspruch über personenbezogene Daten? Die Antwort auf diese Frage ist in der Versicherungspraxis vor allem dann interessant, wenn Versicherungsnehmer und Vermittler diesen Anspruch gegenüber einem Versicherer geltend machen wollen. Nachdem die Details lange Gegenstand zahlreicher Gerichtsverhandlungen ist, hat der BGH ein wegweisendes Urteil gefällt.
Seit mittlerweile drei Jahren gelten die gesetzlichen Richtlinien der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und doch werden die Details zur neuen Gesetzgebung noch immer vor Gericht ausgetragen. Nun hat der Bundesgerichtshof ein wegweisendes Urteil (Az. VI ZR 576/19) zur Reichweite und auch zum Inhalt des Auskunftsanspruches über personenbezogene Daten gefällt.
Artikel 15 der DS-GVO, in dem dieser Auskunftsanspruch festgehalten ist, spielt in der versicherungsrechtlichen Praxis eine wichtige Rolle. Zum Beispiel bei der Bearbeitung von Schadensfällen und Leistungsfällen, da diese oftmals mit einer Auskunftsanfrage über die beim Versicherer vorliegenden Daten beginnen und so die erheblichen – und vielleicht auch notwendigen – Beweise gesichert werden können.
Worum ging es genau bei der Verhandlung vor dem BGH?
Im Zentrum der rechtlichen Bewertung war die Auslegung des Begriffs „personenbezogene Daten“, denn nur diese kann der Versicherungsnehmer im Rahmen eines datenschutzrechtlichen Auskunfts-anspruchs verlangen. Der BGH bewertete, welche Informationen in Verbindung zu der Person des VN stehen und somit gem. Art. 15 DS-GVO auskunftspflichtig sind.
Bereits 2019 legte das OLG Köln (Az.: 20 U 75/18) den Begriff der personenbezogenen Daten im Kontext des Art. 15 DS-GVO sehr weit aus und verstand jegliche mit einer natürlichen identifizierbaren Person in Verbindung zu bringende Information als tatbestandserheblich und somit offenlegungspflichtig.
Was sind personenbezogene Daten?
Dieser Einschätzung folgte nunmehr abschließend auch die oberste gerichtliche Instanz. Zur Rechtsfindung zog der BGH außerdem bereits ergangene Urteile des Europäischen Gerichtshofes heran, da die DS-GVO eine EU-Verordnung ist. Demnach umfasst der Begriff der „personenbezogenen Daten“ potenziell alle objektiven sowie subjektiven Informationen – wie Vermerke, Beurteilungen und Stellungnahmen – solange sich diese Informationen auf die betreffende Person beziehen. Somit ist alles, was in irgendeiner Weise mit dem Versicherungsnehmer als Person in Verbindung gebracht werden kann, der Auskunft zugänglich.
Über welche Daten muss nun eine Auskunft erteilt werden?
Der BGH unternimmt in seiner Urteilsbegründung eine rechtliche Bewertung, nach derer die möglichen Daten eines Auskunftsanspruchs ausgewertet werden. Dazu gehören folgende:
• Die Schreiben des Versicherungsnehmers an den Versicherer
• Der Schriftverkehr des Versicherers mit dem Versicherungsnehmer
• Die Korrespondenz mit Dritten, sofern die an sie gerichtete Schreiben ebenfalls personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers enthalten.
• Dem Versicherungsnehmer bereits bekannte Daten (Zweitschriften und Nachträge des Versicherungsscheins)
• Verarbeitete Daten über Prämienzahlungen des Versicherungsnehmers
• Interne Vermerke oder Verständigung des Versicherers über den Versicherungsnehmer (Telefon- und Gesprächsvermerke, Vermerke über den Gesundheitszustand)
Einschränkend besteht aber kein Anspruch auf die Auskunft über rechtliche Beurteilungen des Versicher-ungsfalls und anhängige Klagen. Zwar sind darin Daten mit Personenbezug enthalten, die rechtliche Bewertung ist jedoch nicht auskunftsfähig.
Auswirkungen für die Vermittlerpraxis
Dem Versicherungsnehmer ermöglicht dieses Urteil die Bewirkung vollständiger Transparenz. Einem Wissensgefälle zwischen den Informationen, die dem Versicherer vorliegen und denen, die der Versicherungsnehmer hat, wird so entgegengewirkt. Mitunter kann sich nämlich bereits aus der Auskunft und anschließenden Bewertung der zur Verfügung gestellten Informationen ergeben, dass ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsleistung(en) besteht.
Aus diesem Grunde ist diese Entscheidung des BGH mit „europarechtlicher Wertung“ durchaus wegweisend und hilfreich, um im Ergebnis die Ansprüche von Versicherten besser durchsetzen zu können.
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke
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