Der „Leonberger Weg“
Im Oktober 1990 führte die Leonberger Bausparkasse einen neuen
Bauspartarif ein, der in der Branche Maßstäbe setzte.
D
as System LW (die Abkürzung stand für Leonberger Weg) löste das starre Tarifmodell ab, bei dem sich Bausparer bereits beim Vertragsabschluss auf eine bestimmte Variante ihrer
Baufinanzierung festlegen mussten.
Der neue, flexible Tarif gab den Kunden die Möglichkeit, bis zwei Monate vor der Zuteilung noch wesentliche Parameter ihres Bausparvertrags zu ändern.
Statt bisher sieben möglichen Vertragsvarianten in den Tarifen T1 bis T5 eröffnete das System LW mehr als 200 Kombinationsmöglichkeiten, die der Kunde auch rückwirkend ohne Mehrkosten ändern konnte.
Eckpunkte waren
- ein Guthabenzins zwischen null und 4,75 Prozent,
- ein Darlehenszins zwischen 1,5 und 5,75 Prozent,
- ein Darlehen bis zu 150 Prozent des Bausparguthabens
- und eine Tilgungsdauer zwischen 11 und 16,5 Jahren.
Die Grundidee des Bausparens als einer Solidargemeinschaft blieb dabei unangetastet:
Wer Vorteile in Anspruch nimmt, muss an anderen Stellen Abstriche in Kauf nehmen.
Der Preis der Flexibilität war eine erhöhte Abschlussgebühr von 1,6 Prozent der Bausparsumme.
Das
System LW erforderte nach Angaben des Unternehmens eine Vorbereitungszeit von vier Jahren.
Die Genehmigung durch das
Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen nahm zwei Jahre in Anspruch.
Das Tarifwerk war so komplex, dass es sich erstmals nicht in Tabellen beschreiben ließ:
Die Außendienstmitarbeiter wurden deshalb mit einem so genannten Tarifrechner (einem Taschenrechner mit spezieller Software) ausgerüstet.
Ziel des neuen Tarifmodells war die Öffnung des europäischen Binnenmarkts im Jahr 1993. Bereits zuvor hatten die Bausparkasse Schwäbisch Hall, die BHW-Gruppe und im Frühjahr 1990 alle zwölf
Landesbausparkassen variable Tarife eingeführt, die aber teilweise nur etwa zehn Optionen anboten.
Der komplexe Tarif wurde einige Jahre später durch eine vereinfachte Variante namens Leo Run abgelöst.
Erstmals im Bausparwesen konnten längere Sparzeiten gegen niedrigere Darlehenszinssätze oder umgekehrt kürzere Sparzeiten gegen höhere Darlehenszinssätze getauscht werden.