Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Guten Abend zusammen,
ich habe einen Bausparvertrag BHW (Dispo maXX DX5 aus dem Jahr 1999), der seit 01.03.10 zuteilungsreif ist.
Er ist nicht voll angespart (es fehlen noch mehrere Tausend Euro).
Im Vertrag ist eine Bonusverzinsung (rückwirkend ab Vertragsbeginn) festgelegt, die ich erhalte, wenn der Vertrag min. 7 Jahre läuft und ich durch Annahme der Zuteilung auf das Bauspardarlehen verzichte.
Bei einem Gespräch mit einem BHW-Vertreter im Januar 2020 wurde mir mitgeteilt, dass mich die BHW "irgendwann nach März 20" mit einer Frist von 6 Monaten kündigen wird.
Mir ist das BGH-Urteil bezüglich der „Kündigungsmöglichkeit nach 10 Jahren Zuteilungsreife bekannt (BGH-Urteils vom 21.02.2017, Az. XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16).
Jedoch lese ich nun auch immer mehr davon, dass es sich bei bestimmten Vertragskonstellationen nicht um den vom BGH genannten „Regelfall“ handelt (dazu mehr bei der Verbraucherzentrale BaWü in dem PDF unter Punkt 3.3 zu finden https://www.verbraucherzentrale-bawu...C3%A4gen_0.pdf)
Darum habe ich nun folgende Fragen:
Frage 1.) Besteht die Möglichkeit, dass die Entscheidung des BGHs auf meinen Vertrag keine Anwendung findet, da durch die in Aussicht getellte Bonusverzinsung bei Darlehensverzicht der Vertragszweck modifiziert wurde?
Falls Frage 1 zu verneinen ist & ich einen "Regelfall"-Vertrag habe, schließen sich folgende Fragen an:
Frage 2.) Stimmt es, dass die Bausparkasse mit einer Frist von exakt 6 Monaten kündigen muss?
Frage 3.) Ich frage mich, ob ich - wie vom BHW-Vertreter empfohlen - auf die Kündigung seitens der BHW warten soll und dann - innerhalb dieser Frist z.B. kurz vor Ablauf der 6-monatigen Frist - meinerseits die Zuteilung annehmen kann.
Hebele ich dadurch die Kündigung der BHW aus und behalte mein vertragliches Recht die Bonusverzinsung (&Abschlussgebühren) zu erhalten oder ist es nach Erhalt des Kündigungsschreibens durch die BHW dann zu spät, um die Bonusverzinsung zu erhalten?
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Kündigung 10 Jahre nach Erreichen der Zuteilungsvoraus-setzungen (Tarife mit Bonus, Zinsbonus, Treueprämie)
Mit seiner Rechtsprechung vom 21.02.2017 hat der BGH ein Kündigungsrecht zehn Jahre nach Zuteilung („Auszahlung der geschuldeten Darlehensvaluta“) nur „für den Regelfall“ bejaht. Der Urteilsbegründung ist zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen von diesem „Regelfall“ nicht ausgegangen werden kann:
„Zur Beurteilung der Frage, wann die geschuldete Darlehensvaluta vollständig ausgezahlt worden ist, kommt es auf die vertraglichen Vereinbarungen über die Pflicht des Bausparers zur Darlehensgewährung und den Vertragszweck an“ (BGH XI ZR 272/16 Rz 81, BGH XI ZR 185/16 Rz 78). Im Einzelfall kann zum Zweck, ein Bauspardarlehen zu erlangen, zusätzliches vertraglich vereinbart worden sein. Auch dieser Vertragszweck kann im Einzelfall, beispielsweise durch gesonderte Individualvereinbarungen, modifiziert worden sein. Er muss sich also nicht zwangsläufig aus der Präambel eines Bausparvertrags ergeben, wo es heißt, dass Bausparverträge zur Erlangung eines Darlehens dienten. Dazu führt der BGH in seiner Entscheidung klarstellend aus:
„Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen der Bausparer z.B. im Falle eines (zeitlich begrenzten) Verzichts auf das zugeteilte Bauspardarlehen und nach Ablauf einer bestimmten Treuezeit einen (Zins-)Bonus erhält. In einem solchen Fall ist der Vertragszweck von den Vertragsparteien dahingehend modifiziert, dass er erst mit Erlangung des Bonus erreicht ist, so dass auch erst zu diesem Zeitpunkt ein vollständiger Empfang des Darlehens im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB aF anzunehmen ist.“ (BGH XI ZR 272/16 Rz 84, BGH XI ZR 185/16 Rz 81).
Damit gibt der BGH zu erkennen, dass die Rechtslage für die sogenannten Renditetarife mit Treueprämie, Zinsbonus oder Bonus eine andere sein kann. Durch die besondere Vereinbarung zusätzlicher Guthabenzinsen kann der Vertragszweck modifiziert worden sein. Argumentieren Sie in solchen Fällen (Tarife mit Zinsbonus oder Treueprämie) mit unse-rem Musterbrief und wehren Sie sich in diesen Fällen gegen eine Kündigung. Sie können auch rückwirkend Vertragsfortsetzung verlangen.
Lenkt die Bausparkasse nicht ein, schalten Sie die zuständige Schlichtungsstelle ein. Uns sind bislang zwei Fälle bekannt geworden, in denen die Schlichtungsstelle analog der BGH Rechtsprechung eine Modifizierung des Vertragszwecks angenommen hat und die Kündigung zehn Jahre nach Zuteilung als verfrüht und damit unwirksam bewertet hat (Ombudsmann der privaten Bausparkassen, Schlichtungsvorschlag vom 23.05.2017 ge-gen die BHW Bausparkasse Az. 1838/2015 und vom 10.01.2018, Az. 1436/2017 gegen die Bausparkasse Schwäbisch-Hall).
Gibt es weitere Fallkonstellationen, bei denen auf Grundlage der beiden oben genannten BGH-Urteile ein Kündigungsrecht zehn Jahre nach Zuteilungsreife verneint werden könnte? Ja, laut Urteilsbegründung kommt es ausdrücklich auf den Einzelfall an. So dürfte beispielsweise die Erlangung eines Bauspardarlehens kaum ein Vertragszweck sein, der Minderjährigen unterstellt werden kann. Gleiches gilt für Sparer, die absehbar nicht über die finanziellen Verhältnisse zum Erwerb von Wohneigentum verfügen. Denkbar ist auch, dass Werbeaussagen wie „der Renditerenner“ den Vertragsweck beeinflussen. Falls Ihnen Notizen oder Protokolle vorliegen, die belegen, dass der Bausparvertrag rein zur Geldanlage abgeschlossen wurde, könnten diese einen entsprechenden Vertragszweck begründen. Für diese jeweils sehr unterschiedlich gelagerten Fälle kann die Verbraucher-zentrale Ihnen keinen Musterbrief zur Verfügung stellen, da die Argumentation auf den Einzelfall abgestimmt sein muss. In solchen Fällen kann eine Erstberatung durch die Ver-braucherzentrale oder eine anwaltliche Vertretung sinnvoll sein.
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Hallo Thomas,
ganz herzlichen Dank für deine schnelle Rückantwort.
Genau um diesen Auszug aus dem PDF der Verbraucherzentrale BaWü geht es mir. Ich würde meinen Vertrag (aufgrund der Bonusverzinsung) auch nicht als Regelfall interpretieren.
Wenn ich deine Nachricht somit richtig verstehe, dann würdest du mir dazu raten, den Baussparvertrag erst noch einmal weiter laufen zu lassen und abzuwarten, was passiert, richtig?
Im Falle einer Kündigung durch die BHW könnte ich dann dieser - unter Nutzung des zur Verfügung gestellten Musterbriefs - widersprechen.
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Der Fragesteller dankt für diese hilfreiche Antwort
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noelmaxim
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noelmaxim
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AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Zitat von Moni_ka
Hallo Thomas,
ganz herzlichen Dank für deine schnelle Rückantwort.
Genau um diesen Auszug aus dem PDF der Verbraucherzentrale BaWü geht es mir. Ich würde meinen Vertrag (aufgrund der Bonusverzinsung) auch nicht als Regelfall interpretieren.
Wenn ich deine Nachricht somit richtig verstehe, dann würdest du mir dazu raten, den Baussparvertrag erst noch einmal weiter laufen zu lassen und abzuwarten, was passiert, richtig?
Im Falle einer Kündigung durch die BHW könnte ich dann dieser - unter Nutzung des zur Verfügung gestellten Musterbriefs - widersprechen.
Genauso sieht es aus.
Das BGH hat das nicht ausgeurteilt, lediglich Bezug genommen. Natürlich birgt das ein gewisses Risiko, dass die BHW kündigt und es nach deinem Widerspruch auf eine Klage ankommt, aber ggf. würde ich im Vorfeld die BHW vorsorglich schon darauf hinweisen, entgegen den allgemeinen Gepflogenheiten nicht zu kündigen, da es sonst mit Bezug auf das BGH Urteil zu einem Widerspruch und ggf. zu einer Klage kommt.
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Danke dir für die Idee mit der vorsorglichen Anfrage. Werde darüber mal eine Nacht schlafen & auch mal meine Rechtsschutzversicherung konsultieren, ob die Kosten für eine Klage ggf. über sie gedeckt wären.
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Hallo,
ihr Bausparvertrag ist seit 10 Jahren zuteilungsreif und somit sollten Sie jetzt die Zuteilung annehmen und auf das Darlehen
verzichten. Sie werden keine Chance haben da irgendwas zu drehen. Der Vertrag sollten Sie beenden oder er wird Ihnen beendet
und Sie laufen Gefahr den Bonus zu verlieren.
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Zitat von C. Andreas
Hallo,
ihr Bausparvertrag ist seit 10 Jahren zuteilungsreif und somit sollten Sie jetzt die Zuteilung annehmen und auf das Darlehen
verzichten. Sie werden keine Chance haben da irgendwas zu drehen. Der Vertrag sollten Sie beenden oder er wird Ihnen beendet
und Sie laufen Gefahr den Bonus zu verlieren.
Danke für Ihre Rückmeldung.
Woher kommt Ihre Einschätzung, dass ich keine Chance habe darauf einzuwirken? Kennen Sie praktische Fälle in denen Die Bausparkasse so verfahren ist?
Schließlich handelt es sich bei meinem Bausparvertrag ja nicht um den vom BGH genannten Regelfall, sondern - durch die Bonusverzinsung bei Darlehensverzicht - um eine Modifikation eines "normalen Bausparvertrag".
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Hallo,
ihre Interpration ist subjektiv. Der Vertrag ist beendet und jedes künstliches hinausziehen wird mit Kosten
für Sie verbunden sein. Nehmen Sie die Zuteilung an und gut ist. Bedenken Sie auch, dass Sie 4% oder 4,25% (bin mir nicht
mehr sicher) Zinsen erhalten auf ihr Guthaben. Das hier die Bausparkasse ein Interesse daran hat, dass der Vertrag
irgendwann ausläuft ist verständlich.
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Zitat von C. Andreas
Hallo,
ihre Interpration ist subjektiv. Der Vertrag ist beendet und jedes künstliches hinausziehen wird mit Kosten
für Sie verbunden sein. Nehmen Sie die Zuteilung an und gut ist. Bedenken Sie auch, dass Sie 4% oder 4,25% (bin mir nicht
mehr sicher) Zinsen erhalten auf ihr Guthaben. Das hier die Bausparkasse ein Interesse daran hat, dass der Vertrag
irgendwann ausläuft ist verständlich.
Danke für Ihre Einschätzung.
Dass die BHW kein Interesse daran hat einen so hoch verzinsten Vertrag weiter laufen zu lassen, ist klar.
Im Vertragswerk ist jedoch keine generelle Kündigungsmöglichkeit nach einer gewissen Anzahl an Jahren festgelegt worden. Somit ist der Vertrag ja noch nicht beendet.
Da die Bonusverzinsung bei Darlehensverzicht zum festen Vertragsbestandteil wurde, ist der Vertragszweck (= reiner Bausparvertrag) - meines Erachtens - verändert worden und der Vertrag so zusätzlich auch noch zu einer renditeorientierten Sparanlage geworden.
Aber wie Sie bereits sagten: die Auslegung ist subjektiv und fallbezogen - weswegen es für solche Fälle ja auch noch keine generelle, höchstrichterliche Entscheidung gibt. Dass die Bausparkassen an selbiger auch kein Interesse haben und sich bis dato lieber außergerichtlich geeinigt haben, ist somit verständlich - diese könnte ja zu ihrem Nachteil sein.
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Moni_ka,
belassen sie das einfach! Wie Sie schon wissen sollten Steht hinter der BHW, die Postbank die wiederum der Deutschen Bank als 100 % Tochtergesellschaft gehört!
Fest steht auch das BGH grundsätzlich Gruppen versus Einzelpersonen den Vorzug gibt! Folgerichtig wird das BGH grundsätzlich in Sinne der Sparergemeinschaft entscheiden.
Positiv entschieden ist die AG = Abschussgebühr!, Kontogebühr in Guthabensphase, nicht aber in der Darlehnsphase,....
Hier wurde aber auch falsch beworben, u. a mit den Guthabenzinsen, statt mit den Produkt "Bausparen".
Fakt ist und bleibt aber das Bausparen, Bausparen bleibt und dieses Bild hat nun das BGH wieder zurecht gerückt! Zwar wurden die BSK auch "bestraft" so haben einige BSK dank ihrer famosen ABB, direkt in die Abwicklung ihrer eigen Eigenständigkeit geführt"
So DEBxKA BSK jetzt nur noch eine Tochtergesellschaft der namensgleichen PKV ist!
Grundsätzlich wird laut BGH:"Nach Erreichen der Zuteilung, und weiteren 10 Jahren hat grundsätzlich die BSK ein Kündigungsrecht wenn der Kunde nicht, bis dahin sein Darlehnsanspruch in Anspruch nimmt!"
Was nichts anderes bedeutet das es max. 25 Jahre ein Bausparvertrag in der Guthabensphase sein kann! Bei einer Finanzierung Laufzeit 15 Jahre, dann Ablösung durch BSV weitere 10 Jahre! Ist aber immer von den ABB abhängig!
Ihr Problem liegt jetzt aber anders :
A) Was mache ich mit den Geld?
B) Wo lege ich neues Geld wieder an?
AW: Zuteilungsreifer Bausparvertrag mit Bonusverzinsung kein BGH-Regelfall?
Hallo Moni_ka,
ich habe Deine Anfrage mit großem Interesse gelesen, weil ich von einem fast identischen Fall betroffen bin. Unterschiedlich sind wahrscheinlich nur die Bausparsumme und mein Zuteilungstermin vom Nov. 2013. Ich möchte genauso vorgehen wie du.
Dein Fall ist ja evt. schon gelaufen und mich interessiert am meisten, wie er gelaufen ist.
Läuft Dein Vertrag noch?
Hat die BHW geklagt?
Habt ihr euch außergerichtlich geeinigt?
Du verstehst sicherlich, daß ich mein Risiko einschätzen möchte und dabei Deine Erfahrung nutzen möchte, zumal die Fälle so ähnlich sind.
Ich würde mich freuen, von Dir zu hören (und sei es auch nur, daß Du drüber nicht berichten darfst, weil die BHW Auflagen gemacht hat).