ich verfolge das Forum seit einer Weile als stiller Mitleser und möchte nun auch meinen Fall schildern, da nach Lesen diverser Threads noch die eine oder andere Frage übrig geblieben ist:
Ich bin bereits zu 50% Eigentümer eines Einfamilienhauses und möchte nun nach Trennung die verbleibende Hälfte übernehmen. Über den notwendigen Auszahlungsbetrag ist eine Übereinkunft getroffen worden.
Finanzielle Eckdaten:
Zugrunde gelegter Immobilienwert: etwa 470.000€
derzeit eingetragene Grundschuld: 230.000€
Restschuld zum 30.06.2019: ca. 140.000€
Das aktuell verbliebene Darlehen hat eine Zinsbindung bis zum 31.12.2022 bei der commerzbank (Zinssatz 2,15%, Tilgung 4%, Rate knapp 1000€, Restschuld zum 31.12.2022 ca. 108.000€).
Für die Übernahme der übrigen 50% an der Immobilie wird ein Darlehen von weiteren 140.000€ benötigt. Meine Einkommenssituation ist so, dass einer Schuldhaftentlassung meiner ehemaligen besseren Hälfte und der Aufnahme der zusätzlichen Darlehens nichts entgegen stehen sollte. Es besteht ein langjähriges, unbefristetes Arbeitsverhältnis, meine Schufa ist ebenfalls "sauber".
Jetzt hat sich die Frage gestellt, wie die Finanzierung aufgestellt werden sollte. Ich gehe davon aus, dass ich die Immobilie in spätestens 15 Jahren abbezahlen kann. Daher ist eine Zinsbindung > 15 Jahre in meinem Fall nicht nötig. Falls eine Restschuld zu diesem Zeitpunkt besteht, dann sollte sie durch zwischenzeitliche Ersparnisse beglichen werden können. Auf lange Sicht stelle ich mir weiterhin eine Rate von ca. 1000€ zzgl. Sondertilgungen vor, eine höhere Rate wäre aber übergangsweise möglich, da die aktuelle Rate ja schon etwa 1000€ beträgt.
Mein erster Gedanke vor einiger Zeit war, möglichst das Darlehen durch Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung gegen ein neues, langfristiges Darlehen (Zinsbindung 15 Jahre) abzulösen. Mir ist zwar immer noch nicht ganz klar, ob ich in diesem Fall tatsächlich einen Rechtsanspruch habe, das bestehende Darlehen gegen Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung (dürften derzeit ca. 8.000€ sein) zu kündigen und gegen ein beliebiges einer anderen Bank abzulösen. Falls ich bei der commerzbank ein neues Darlehen über den Gesamtbetrag abschließe, ist eine vorzeitige Auflösung nach Rücksprache bei der Bank jedoch möglich.
Das Angebot für ein neues, 15 jähriges Darlehen direkt bei der commerzbank über den Gesamtbetrag von ca. 288.000€ (Vorfälligkeitsentschädigung mit eingerechnet) war im April zu einem Zinssatz von 1,28% nominal, 5% Sondertilgung, Tilgung 3%. Ich nehme an, dass jetzt ein Zinssatz von etwa 1,20% möglich wäre, da die Zinsen in der Zwischenzeit nochmals gefallen sind.
Jetzt sind es mittlerweile aber auch nur noch 3,5 Jahre bis die Zinsbindung meines derzeitigen Darlehens ausläuft und es abgelöst werden kann. Aufgrund der derzeitigen Marktlage gehe ich mittlerweile davon aus, dass sich die Zinskonditionen kurzfristig - zumindest bis Ende des Jahres - nicht wesentlich ändern werden. Daher ist folgende Variante für mich interessanter geworden: es wird ein zusätzliches Darlehen über 140.000€ aufgenommen, mit einer relativ geringen Tilgung von 2% und einer kurzen Zinsbindung bis möglichst Ende 2022. Sollte sich ein Zinsanstieg abzeichnen, dann kann ein Forward-Darlehen abgeschlossen werden, ansonsten werden die Darlehen Ende 2022 gegen ein Anschlussdarlehen mit 10 jähriger Zinsbindung abgelöst. Mir ist bewusst, dass ich damit eine Zinswette eingehe, jedoch erscheint mir das Risiko überschaubar, da ich zumindest bis zum Ende des Jahres nicht von einem wesentlichen Zinsanstieg ausgehe und jederzeit ein Forward Darlehen abschließen könnte.
Über einen Makler habe ich nun ein Angebot zur Finanzierung der zusätzlichen 140.000€ zu einem Zinssatz von 1,09%, Tilgung 2% - das würde auch über die commerzbank laufen und es könnte nach Rückfrage so abgeschlossen werden, dass die Zinsbindung genau zum 31.12.2022 ausläuft. Hier wäre der Vorteil, dass die bestehende Grundschuld teilweise für das neue Darlehen genutzt werden könnte und die Zinsbindung so gestaltet werden kann, dass sie ebenfalls bis zum 31.12.2022 läuft und somit beide Darlehen gleichzeitig abgelöst werden können. Das ist derzeit meine bevorzugte Alternative.
Meine Fragen wären nun konkret:
1) Auch nach einiger Recherche ist mir nicht ganz klar, ob ich nun wie geschrieben in diesem Fall einen Rechtsanspruch gegen die Bank zur vorzeitigen Auflösung des aktuellen Darlehens hätte. Vielleicht kann mir jemand hierzu Näheres sagen? Wenn ja, wie würde das praktisch ablaufen und akzeptiert die Bank eine derartige Kündigung - natürlich gegen die Vorfälligkeitsentschädigung - üblicherweise?
2) Auch wenn das aktuelle Darlehen (und auch ein notwendiges zusätzliches) von meinem Gehalt gut bedient werden kann, liegt es meines Wissens im Ermessen der Bank, ob sie einer Schuldhaftentlassung zustimmt. Was würde eigentlich passieren wenn sie wider Erwarten eine Schuldhaftentlassung ablehnen würde? Kann das aktuelle Darlehen dann in diesem Fall gekündigt werden?
3) Ich bin beim Vergleich der Alternativen davon ausgegangen, dass sich die Zinsen bis Ende des Jahres nicht entscheidend nach oben bewegen werden. Daher habe ich angenommen, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt ein Forward Darlehen über max. 230.000€ (also unter 50% Beleihung), 10 Jahre Zinsbindung, 36 Monate Vorlauf, etwa 1000€ Rate für einen Zinssatz von max. 1,3% bekommen würde. Wäre diese überschlägige Annahme in etwa korrekt?
4) Was haltet ihr von dem vorliegenden Angebot zu 1,09% für knapp 3,5 Jahre Zinsbindung? Interessanterweise wären die Konditionen - zumindest bei der commerzbank - für eine 5jährige Zinsbindung besser. Falls ich das jetzige Darlehen weiterlaufen lasse, so möchte ich aber das neue Darlehen nicht länger als das aktuelle laufen lassen. Daher machen für mich 5 Jahre keinen Sinn. Gibt es zu diesem Angebot bessere Alternativen?
5) Was haltet ihr generell von den Überlegungen? Wie schon geschrieben ist mir bewusst, dass es sich beim Vergleich der vorliegenden Alternativen um eine Zinswette handelt und niemand eine Glaskugel hierfür besitzt. Wo die Zinsen hingehen werden, ist sicher eine spannende Diskussion. Die würde ich hier jedoch außen vor lassen wollen Aber vielleicht habe ich ja noch etwas übersehen oder jemand würde eine ganz andere Vorgehensweise vorschlagen?
für mich gäbe es da gar keine Diskussion. Nach BGB § 490 ergibt sich ein Sonderkündigungsrecht, da es die anderweitige Verwertung der Grundschuld bedingt, insofern löse ich die gesamte Restschuld zzgl. des neuen Bedarfs über ein neues Darlehen ab.
Die gezahlte VFE bringe ich über die Zinsdifferenz in dem neuen Darlehen wieder ins Verdienen. Der Forwardgedanke und die Zinswette erübrigt sich dadurch, die Rangfolge im Grundbuch ist geordnet und geklärt.
Der Zinssatz sollte sich dann für 10 Jahre fest um die 1 % bewegen.
vielen Dank für die prompte Rückmeldung und die Einschätzung bzgl. des Sonderkündigungsrechtes.
Mein erster Gedanke war ja ebenfalls, dass das Darlehen möglichst abgelöst werden sollte. Bei genauem Hinschauen sehe ich aber mittlerweile nicht mehr, dass ich die VFE in jedem Fall wieder verdienen kann.
Hier ein Rechenbeispiel dazu. Die Zahlen sind der Einfachheit halber teilweise gerundet, aber die Tendenz sollte erkennbar sein. Mal angenommen, ich lasse das "teure" Darlehen weiterlaufen und finanziere den zusätzlichen Bedarf von 140.000€ wie angeboten zu 1,09% mit einer Tilgung von 2%. Auszahlung mal angenommen Ende 09/2019, Laufzeit bis Ende 2022. Das ergibt eine zusätzliche Belastung von 360€ und eine neue Gesamtbelastung von insgesamt 1.333€ (aktuell 973€).
Dann kann ich die Varianten vergleichen, indem ich die Rate von 1.333€ mal für 15 Jahre fix ansetze.
Variante 1
aktuelles Darlehen bleibt bestehen, zusätzliches Darlehen 140.000€ ab 9/2019 zu 1,09%, Tilgung 2%, Rate 360€
Anschlussdarlehen ab 2023
Zins 1,4%, Laufzeit 11 Jahre/9 Monate, Rate 1333€
239.000 € Restschuld in 9/2034 77.540,28 €
Variante 2
aktuelles Darlehen wird gegen VFE abgelöst, neues Darlehen über insgesamt 286.000€ (138.000 + 140.000 + 8.000)
Zins 1,2%, Laufzeit 15 Jahre, Rate 1333€, Tilgung 4,393%
Restschuld in 9/2034 79.626,11 €
Der Vergleichbarkeit halber habe ich mal die Laufzeit für das Anschlussdarlehen in Variante 1 so krumm gewählt, dass beide Varianten zu 9/2034 auslaufen. Jetzt ist der Zins für die Anschlussfinanzierung in Variante 1 auch natürlich geschossen. Sicherlich kann es auch sein, dass die 1,2% für 15 Jahre auch noch aktuell etwas unterboten werden können, wenn ich die Bank frei wählen kann. Das verbessert dann die Variante 2. Umgekehrt kann es aber durchaus sein, dass das Zinsniveau noch für 2-3 Jahre ähnlich tief bleibt, ein Forward gar nicht benötigt wird und ein Zins für die Anschlussfinanzierung um die 1% erhältlich ist.
Den Vorteil, den ich bei Variante 1 sehe ist, dass ich mir die VFE spare, keine Diskussion mit der Bank über §490 BGB habe und recht flexibel die Zinsentwicklung beobachten kann. Und hier erwarte ich zumindest in 2019 keine wesentliche Veränderung nach oben. Das Anschlussdarlehen sollte dann in jeden Fall zu einer Beleihung unter 60%, ggf. auch unter 50% abgeschlossen werden können, da in der Zwischenzeit einiges getilgt werden kann.
Das neue Darlehen wird immer - ggf. eine fremde - Vorlast haben, dass verteuert das Darlehen, mind. aber ist man an die DSL Bank gebunden und auch wenn diese gut und vom Zinsniveau unter den Top 10 ist, es verwirkt die Chance auf bessere Zinsen, was sich auf die gesamten Darlehensteile negativ auswirkt.
Eine gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung wird wieder ins verdienen gebracht, diese zu zahlen verteuert nichts, weil man die erhöhten Zinsen andernfalls so oder so zahlt.
Für mich gäbe da keine Diskussion, auch stellt sich diese bezüglich BGB §489 mit der DSL Bank nicht.
Natürlich muss man das aber genau anschauen, individuell betrachten und berechnen.
Ja, die entsprechende Berechnung habe ich an meinem konkreten Beispiel ja durchgeführt. Hier zeigt sich für mich, dass die VFE von mir nicht über die kurze Restlaufzeit von dann etwa 3 Jahren und 3 Monaten ins Geld gebracht werden kann, sondern höchstens über die gesamte Laufzeit von 15 Jahren. Ob ich sie wirklich wieder verdienen kann hängt ja bei Variante 1 eben noch vom Zinssatz für das Anschlussdarlehen ab. Daher ist das für mich immer noch die eingangs erwähnte Zinswette, bei der ich eben annehme, dass sich die Zinsen kurzfristig nicht wesentlich nach oben entwickeln werden. Wenn die Anschlussfinanzierung z.B. zu 2% erfolgen müsste, dann wäre es natürlich ein Verlustgeschäft. Das ist mir bewusst.
Wenn Sie einen Fehler in der Rechnung sehen, dann korrigieren Sie mich gerne, ebenso wenn Sie noch bessere Zinssätze sehen.