Das Thema unechte Abschnittsfinanzierung / Prolongation / WRR bei Konditionsvereinbarungen wird meines Erachtens trotz der vermeintlich klaren BGH-Entscheidung noch Groß aufkommen. Ich mache daher hierzu mal einen neuen Thread auf.
Wenn ich richtig liege, dürften eine Menge Darlehen, die zwar vor 2002 abgeschlossen worden sind, die aber nach Ablauf der SollBindungsfrist verlängert worden sind, widerrufbar sein... und zu den gewünschten Folgen führen (was angesichts der BGH-Entscheidung zur Widerruflichkeit einer Prolongationsvereinbarung und deren Rechtsfolgen nicht selbstverständlich ist.
Es geht im Grundsatz darum, ob und wann bei einer sog. unechten Abschnittsfinanzierung (wegen der Besonderheiten des Fernabsatzes) entgegen der immer wieder gelesenen und mit der bgh rspr begründeten ansicht in diesen fällen doch eine möglichkeit des widerrufsrechtes besteht, weil gar keine wrb erteilt worden ist bei der Konditionenanpassung.
Ich bin der Ansicht, dass davon sehr viele verträge betroffen sind. im grunde genommen läßt sich damit die anwendbarkeit der wr joker massiv ausweiten auf sehr viele verträge vor 2002 !!
Zur Erinnerung / Ausgangslage: Der BGH hat entschieden, dass bei sogenannten Prolongationsvereinbarungen eine Widerrufsbelehrung nach den normalen Vorschriften nicht erforderlich sei, weil es sich nur um eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung handele (BGH-Urteil vom 28.05.2013, Az. XI ZR 6/12). Mehrere OLG Urteile haben schon entsprechend entschieden. Deshalb heißt es auch, egal wo man liest, es gebe in derartigen Fällen kein Widerrufsrecht ( Widerrufsmöglichkeit. Ich halte das Urteil des BGH für falsch und jedenfalls für viele derartiger Fälle nicht passend/anwendbar (dazu aber ggf. später mehr).
ABER: Es gilt eine Besonderheit zu berücksichtigen, nämlich das Widerrufsrecht der Prolongationsvereinbarungen nach Fernabsatzregeln: Soweit man mit dem BGH annehmen würde, dass bei den Prolongationsvereinbarungen eine Widerrufsbelehrung nach den normalen Vorschriften nicht erforderlich war, wenn und weil es sich nur um eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung handelt, sind aber ergänzend die Fernabsatzvorschriften zu berücksichtigen, aus denen sich die Notwendigkeit einer Widerrufsbelehrung nach Fernabsatzregeln ergibt:
Wenn die Konditionenanpassungsvereinbarungen / Prolongationsvereinbarungen nach den Regeln des Fernabsatzes zu Stande gekommen sind, bestand ein Widerrufsrecht nach §§ 312 d, 355 BGB a. F. , über das hätte belehrt werden müssen !!
Die Prolongationsvereinbarungen wurden häufig ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen. Es handelt sich mithin um eine Finanzdienstleistung i. S. des § 312 b BGB a. F. (vergl. zu einem vergleichbaren Fall Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.12.2014, Az. 6 O 3699/14).
Die in diesen Fällen jetzt erfolgenden Widerrufe der Vereinbarungen erfolgen rechtzeitig, da auf Grund nicht erfolgter Widerrufsbelehrungen die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat (siehe oben).
Damit ist man aber noch nicht am Ziel, denn :
Folgen des Widerrufs einer Prolongationsvereinbarung: Bereits der BGH hat in seinem Urteil vom 28.05.2013 dazu Stellung genommen, dass mit dem Widerruf einer Prolongationsvereinbarung nicht die Bindung an den ursprünglich geschlossenen Darlehensvertrag entfalle, sondern dass Rechtsfolge sei, dass die Bindung des Verbrauchers an die auf Abschluss der Prolongationsvereinbarung gerichtete Willenserklärung entfalle und damit diese Prolongationsvereinbarungen nicht zu Stande gekommen seien (BGH, Urteil vom 28.05.2013, Az. XI ZR 6/12; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.12.2014, Az. 6 O 3699/14).
Welche Rechtsfolgen sich insofern jeweils ergeben, hängt von den Regelungen in dem jeweils betroffenen Darlehensvertrag ab.
Hier ist nun bei der Betrachtung der Urteile des BGH einerseits und des LG Nürnberg-Fürth andererseits zu differenzieren: Der Entscheidung des BGH lag ein Darlehensvertrag zu Grunde, in dem geregelt war, dass mangels wirksamer Vereinbarung neuer Konditionen das Darlehen sofort zur Rückzahlung fällig wird.
Der BGH führt dazu in seinem Urteil wie folgt aus: „Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts entfiele jedoch nicht zugleich auch die Bindung an den ursprünglich geschlossenen Darlehensvertrag vielmehr wäre das Darlehen nach den Bestimmungen des Darlehensvertrages mangels wirksamer Vereinbarung neuer Konditionen sofort zur Rückzahlung fällig."
Dem gegenüber lag dem vom LG Nürnberg-Fürth entschiedenen Fall ein anderer Darlehensvertrag zu Grunde. Dort war gerade geregelt, dass für den Fall des Nichtzustandekommens einer Prolongationsvereinbarung der alte Vertrag (mit einer Zinsanpassungsklausel nach § 315 b BGB) weiterläuft („So ist das Darlehen ab dem Ende des Zinsbindungszeitraums, bei im Übrigen gleichbleibenden Vertragsbestimmungen, mit einem bis auf Weiteres geltenden Zins, den die Bank im Rahmen des § 315 BGB nach billigem Ermessen festlegen kann, zu verzinsen").
Deswegen wurde die Klage vom LG Nürnberg-Fürth abgewiesen, da die Anträge dort darauf gerichtet waren, festzustellen, dass der ursprüngliche Darlehensvertrag nicht mehr besteht, was sich nach den darin getroffenen Regelungen des ursprünglichen Darlehensvertrages, wie soeben ausgeführt, für den Fall des Nichtzustandekommens einer Prolongationsvereinbarung gerade nicht ergab.
In vielen Fällen befindet sich die Regelungen zu der Konditionenanpassung in den weiteren Darlehensbedingungen des Darlehensvertrages. Dort ist oft so oder so ähnlich geregelt: "Wird keine Vereinbarung getroffen, ist das Darlehen zum Abschluss der Festschreibungszeit zurückzuzahlen. Bei Mitteilung des Konditionenangebots wird den Darlehensnehmer auf die Folgen einer fehlenden Vereinbarung hinweisen".
Es liegt in so einem Fall also ein Darlehensvertrag zu Grunde, der demjenigen gleicht, über den der BGH in seinem Urteil vom 28.05.2013 entschieden hat. Damit ergibt sich dafür aus dem Widerruf der Konditionenanpassungsvereinbarung / Prolongationsvereinbarung folgende Rechtsfolge: Durch den ausgesprochenen Widerruf der Konditionenanpassungsvereinbarung / Prolongationsvereinbarung entfallen die Bindungen des Verbrauchers an die auf Abschluss der Vereinbarungen gerichteten Willenserklärungen. Es liegen damit dann keine Konditionenanpassungsvereinbarungen /Prolongationsvereinbarungen vor.
Damit greift die Rechtsfolge aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag, wonach das Darlehen mangels wirksamer Vereinbarung neuer Konditionen sofort zur Rückzahlung fällig wird (geworden ist). Das wiederum bedeutet Folgendes: Mit dem erfolgten Widerruf der Prolongationsvereinbarungen war der Darlehensbetrag gem. der Darlehensbedingungen zur Rückzahlung fällig.
Damit ergibt sich ohne Weiteres, dass ein Rechtsgrund für eine von der Bank berechnete und geltend gemachte Vorfälligkeitsentschädigung nicht besteht / bestand und der Betrag, soweit bereits gezahlt, daher zurückzuzahlen ist.
Bei noch laufenden Verträgen ergibt sich mit dem jetzt erfolgenden Widerruf die Rechtsfolge, dass (rückwirkend auf den Zeitpunkt der widerrufenen Prolongationsvereinbarung) die Bank nur einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens hat
Es hat dann auch in derartigen Fällen eine Rückabwicklungsberechnung zu erfolgen, nämlich auf den Zeitpunkt, auf den der ausgesprochene Widerruf zurückwirkt und das ist das Ende der (ersten) Zinsbindungsfrist des ursprünglichen Darlehens bzw. das Endes der ersten darin vereinbarten Zinsbindungsphase.
Der BGH führt in seinem Urteil insofern zu Recht aus, dass der Widerruf der Prolongationsvereinbarung dazu führe, dass das Darlehen „mangels wirksamer Vereinbarung neuer Konditionen“ sofort zur Rückzahlung fällig“ werde. Ab diesem Zeitpunkt besteht damit auch kein weiterer Anspruch der Bank mehr auf Zahlung von Zinsen aus dem Darlehensverhältnis. Im Hinblick auf die insofern durchzuführende Rückabwicklung dürften dann dieselben Regeln wie beim normalen Widerruf gelten, u.a. stehen dem DN dann Nutzungsentschädigungsansprüche auf die geleisteten Zins- und Tilgungsraten zu, nach der Rechtsprechung des BGH mindestens in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.
Widerruf jetzt