Endurteil
I. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag Nr. … mit dem ursprünglichen Darlehensnennbetrag von € 95.000 durch wirksamen Widerruf der Kläger vom 28.08.2014 in ein
Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt ist und
der Beklagten aus dem Darlehensvertrag gegen die Kläger keine Ansprüche zustehen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Mitgläubiger € 4.160,54 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.09.2014 zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner 4 % und die Beklagte 96 % zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Tatbestand
Es haben daher die Kläger beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 08.04.2010 geschlossene Darlehensvertrag Nr. 650.021.7127 mit dem ursprünglichen Darlehensnennbetrag € 95.000 durch das Widerrufsschreiben vom 28.08.2014 widerrufen ist und der Beklagten aus dem Darlehensvertrag gegen die Kläger keine Ansprüche zustehen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger € 4.836,09 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 03.09.2014 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte den Klägern sämtlichen Schäden zu ersetzen hat, die daraus resultieren, dass die Beklagte den in Klageantrag Ziffer 1. näher bezeichneten Widerruf nicht anerkannt hat.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere € 1.286,15 (nicht festsetzungsfähige außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten) zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Klageerhebung zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
A.
Der Klageantrag Ziffer 1. ist zulässig und begründet.
...
IV. Der Antrag ist begründet. Der Widerruf der Kläger vom 28.08.2014 war wirksam, da nicht verspätet.
In Folge des wirksamen Widerrufs ist der streitgegenständlichen Darlehensvertrag rückabzuwickeln und es stehen der Beklagten keine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag mehr zu.
...
5. Nach wirksamem Widerruf eines Verbrauchervertrages wandelt sich das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um, §§ 357 Abs.1, 346 ff BGB. Dies gilt auch für Verbraucherdarlehensverträge gem. § 491 BGB, wie die vorliegenden, sofern, wie vorliegend ebenfalls gegeben, die Verträge vor dem 13.06.2014 abgeschlossen wurden. Für diese Altverträge gilt § 357 a BGB nicht, Art. 229 § 32 Abs.1 EGBGB.
Somit ist das Darlehensverhältnis zwischen den Parteien umgewandelt in ein gesetzliches Rückabwicklungsverhältnis.
Vertragliche Ansprüche aus dem Darlehensvertrag kann die Beklagte nicht mehr geltend machen.
V. Somit war dem Feststellungsantrag statt zu geben. Die Abweichungen des Tenors von dem Klageantrag sind redaktionell veranlasst und dienen der Klarstellung. Sie sind keine inhaltliche Abweichung von dem Klagebegehren. § 308 ZPO ist daher beachtet, wie die Abweichungen auch nicht mit einem Kostennachteil für die Kläger verbunden sind.
B.
Der zulässige Leistungsantrag Ziffer 2. ist nur teilweise und zwar in Höhe von € 4.160,54 begründet.
I. Wie dargelegt, wandelt sich nach wirksamem Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages das Darlehensverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um, §§ 357 Abs.1, 346 ff BGB. Folge ist, dass grundsätzlich die von den Parteien empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen, § 100 BGB, herauszugeben sind oder gem. § 346 Abs.2 BGB Wertersatz für sie zu leisten ist.
II. Die
Ansprüche der Parteien stehen sich dabei als isolierte Ansprüche gegenüber (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.2002, XI ZR 47/01, Rz. 21, für einen Widerruf nach HWiG, OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013, I-6 U 64/12, Rz. 33, und OLG Brandenburg, Schlussurteil vom 10.12.2014, 4 U 96/12, jeweils juris). Die
Ansprüche werden somit per se nicht saldiert. Die
Parteien haben sie im Prozess im Wege eines Zurückbehaltungsrechts oder durch Aufrechnung geltend zu machen. Eine
klägerseits vorgenommene Saldierung ist regelmäßig als Aufrechnungserklärung anzusehen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist Klageantrag Ziffer 2. und seine Begründung durch die Kläger dahin zu verstehen, dass die Kläger mit dem von ihnen behaupteten Anspruch auf Rückerstattung der von ihnen gezahlten Vertragszinsen gegen den Anspruch der Beklagten auf Nutzungswertersatz wegen der von der Beklagten an die Kläger ausgezahlten Darlehensvaluta aufgerechnet haben. Den Teil ihrer vorgenannten Ansprüche, der durch diese Aufrechnung nicht erloschen ist, machen sie mit dem Leistungsantrag Ziffer 2. geltend.
Der Anspruch der Kläger auf Nutzungswertersatz wegen der von ihnen an die Beklagte gezahlten Zinsen und der Anspruch der Beklagten auf Rückerstattung der noch offenen Darlehensvaluta sind demgegenüber, das sei zur Klarstellung gesagt, nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Weder haben die Kläger einen Anspruch auf Nutzungswertersatz insoweit geltend gemacht, noch haben sie mit dem Anspruch die Aufrechnung erklärt, noch hat die Beklagte insoweit ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht oder ihrerseits mit ihrem Anspruch aufgerechnet.
III.
Nach Aufrechnung, wie oben dargelegt, steht den Klägern noch ein Anspruch auf Rückerstattung gezahlter Zinsen in Höhe von € 4.160,54 zu.
1. Im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses hat die Beklagte als
Darlehensgeberin die von den Klägern als Darlehensnehmer empfangenen
Zinszahlungen an diese
zurückzugewähren. Gleiches gilt für von den Darlehensnehmern gezahlte
Bearbeitungsgebühren, Disagio, Vorfälligkeitsentschädigungen, Versicherungsbeiträge u.ä. (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.2002, XI ZR 47/01, Rz. 29, juris). Vorliegend tragen die Kläger lediglich zu Zahlungen auf den Vertragszins vor und beziffern diese, von der Beklagten nicht beanstandet, bis 30.09.2014 auf € 17.490,18 (vgl. jeweils Spalte 6 in Anlagen K 4 und K 6).
2. Demgegenüber hat die Beklagte als
Darlehensgeberin einen
Anspruch gegen die Kläger als Darlehensnehmer auf
Ersatz für die Nutzungen, die diese aus der Leistung der Darlehensgeberin gezogen haben. Dieser Anspruch, hier auf
Wertersatz, beläuft sich vorliegend auf € 13.329,64.
a. Die Leistung der Beklagten bestand vertragstypisch darin, den Klägern vorübergehend das Recht zur Nutzung des ausgezahlten Darlehensbetrages einzuräumen. Da diese Gebrauchsüberlassung nicht in Natur zurückgewährt werden kann, haben die Kläger Wertersatz zu leisten.
b. Die Höhe des Wertersatzes bemisst sich folgerichtig nach dem Gebrauchswert des überlassenen Kapitals, ohne dass es darauf ankäme, wie die Kläger das Kapital tatsächlich verwandt haben. Entsprechend bestimmt § 346 Abs.2 Satz 2 HS 1 BGB dass für die Höhe des Wertersatzes der vertraglich vereinbarte Darlehenszins maßgeblich ist. Jedoch können die Darlehensnehmer nachweisen, dass der Wert der Gebrauchsvorteile geringer war, womit der unter Umständen deutlich geringere Marktzins maßgeblich sein kann.
(1)
Strittig ist, wie dieser Marktzins zu ermitteln ist. Dabei wird mit
unterschiedlicher Begründung, zum Teil unter Verweis darauf, dass das zwischen den Parteien vereinbarte vertragliche Äquivalenzgefüge gewahrt bleiben müsse, zum Teil unter Hinweis darauf, die von dem Darlehensnehmer empfangene Leistung (Kapitalnutzungsmöglichkeit) sei „keine zeitlich gestreckte Leistung“ (vgl. Müller/Fuchs, WM 2015, 1094, 1096 f), vertreten,
dass der bei Vertragsabschluss marktübliche Zins maßgeblich ist. Entwicklungen nach Abschluss des Darlehensvertrages, bzw. Auszahlungen der Valuta werden als bedeutungslos erachtet (vgl. LG Ulm, Urteil vom 25.04.2014, 4 O 343/13, Tz. 51 f, juris,). Zum Teil wird als
maßgeblich auch der marktübliche Zins zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, bezogen indes auf die tatsächliche Laufzeit des Darlehensvertrages bis Widerruf angesehen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 07.11.2011, 38 O 358/10, nicht veröffentlicht, und Piekenbrock/Rodi, WM 2015, 1085, 1091 f).
Andere Stimmen fordern demgegenüber eine zeitabschnittsweise dynamische Ermittlung des Wertersatzes, mit der Folge, dass der marktübliche Zins für jede, dann festzulegende, Überlassungsperiode neu zu bestimmen ist (vgl. Servais, NJW 2014, 3748, 3749 f).
Der zuletzt genannten Ansicht („dynamisch-konsensbezogene Methode“, vgl. Piekenbrock aaO, 1090) folgt das Gericht. Denn dem Zweck der Rückabwicklung, einen Zustand wieder herzustellen, wie er ohne vertraglichen Leistungsaustausch bestanden hätte, wird es allein gerecht, wenn der Gebrauchswert objektiv bestimmt wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 14.07.1995, V ZR 45/94, Rz. 14, juris, für Nutzungen im Eigentümer/Besitzerverhältnis). Der zu bewertende Gebrauchsvorteil besteht, nachdem wie oben dargelegt, die konkrete Verwendung des Kapitals durch den Darlehensnehmer außer Betracht bleibt, in erster Linie darin, dass das überlassene Kapital nicht anderweitig beschafft werden muss oder darin, dass das überlassene Kapital zu Marktbedingungen ausgeliehen werden kann. Und
dieser Vorteil ist je nach Zinsniveau und nach Höhe des in Rede stehenden Betrages unterschiedlich wertvoll. Im Übrigen wird
auch bei dem von der Bank zu leistenden Nutzungswertersatz die Zinsentwicklung während des Vollzugs des Vertrages berücksichtigt, wenn vermutet wird, dass die Bank Nutzungen auf Grundlage des Basiszinssatzes gezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2009, XI ZR 33/08, Rz. 29, für den Anspruch gem. §§ 357, 346 Abs.1 BGB, und Urteil vom 24.04.2007, XI ZR 17/06, Rz. 35, für den Anspruch auf Nutzungsersatz gem. § 818 Abs.3 BGB, jeweils juris).
(2) Daraus folgt:
- Der Marktzins ist in der Regel gem. § 287 ZPO auf Grundlage der Statistiken der Deutschen Bundesbank, die wiederum auf die EWU Zinsstatistik verweisen, die die frühere Bundesbankzinsstatistik, die mit Ablauf des Referenzmonats Juni 2003 eingestellt wurde, ersetzen, zu schätzen (vgl. z.B. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17.03.2010, 5 U 2/10, Rz. 11, juris).
Diese Statistiken sind allenfalls dann keine taugliche Schätzgrundlage, wenn die Bank darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass der Darlehensnehmer wegen seiner konkreten Situation (Bonität, Sicherheiten) eine Refinanzierung nur zu schlechteren als den in der Statistik ausgewiesenen Bedingungen erhalten hätte.
- Die konkret anzuwendende Zeitreihe bestimmt sich nach den in dem ursprünglichen Darlehensvertrag vereinbarten Konditionen (Verwendungszweck, Laufzeit, Sicherheiten, Zinsbindungsfrist usw.). Der jeweils zu betrachtende Zeitabschnitt nach den in dem ursprünglichen Vertrag getroffenen Reglungen zu den Annuitäten (monatlich, am Ende eines Quartals usw.). Für jeden dieser Zeitabschnitte ist somit der Wertersatz unter Berücksichtigung des dann aktuellen Marktzinses und des dann aktuellen valutierenden Standes des Darlehens zu bestimmen.
c. Schließlich ist im Hinblick auf § 346 Abs.2 Satz 2 BGB der Vertragszins als „Kappungsgrenze“ für die Höhe des Wertersatz zu berücksichtigen. Nach Auffassung der Kammer kann dies jedoch nicht in der Weise geschehen, dass für jeden der oben genannten Zeitabschnitte isoliert der jeweils günstigere Zins angesetzt wird.
Vielmehr ist die Zinsbelastung, die sich über die gesamte Zeit der Kapitalnutzung bei Anwendung des Vertragszinses ergibt mit dem Gesamtbetrag des Marktzinses, ermittelt wie oben über die gesamte Dauer der Kapitalnutzung, zu vergleichen. Ist dann der Vertragszins niedriger als der Marktzins, kann sich der Darlehensnehmer auf die Kappungsgrenze berufen.
d. Bei Anwendung der oben unter b. genannten Grundsätze stand der Beklagten ein Nutzungswertersatzanspruch in Höhe von € 13.329,64 zu. In Anlage K 8 haben die Kläger, nach Hinweis des Gerichts, den Marktzins, im Übrigen den oben genannten Vorgaben zu einer zeitabschnittsweisen Berechnung folgend, auf Grundlage der Zeitreihe BBK01.SUD119 der MFI-Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank berechnet. Diese Zeitreihe gibt die von Banken in Deutschland verlangten Effektivzinssätze im Neugeschäft von Wohnungsbaukredite an private Haushalte bei einer anfänglichen Zinsbindung von über 10 Jahren wieder. Diese Zeitreihe ist geeignet, um im Streitfall den Nutzungswertersatz, den die Kläger zu leisten haben, zu schätzen.
Ihre Parameter entsprechen, anders als bei der von den Klägern zunächst herangezogenen Zeitreihe BBK01.SUD118 (vgl. Anlage K 4),
den in dem ursprünglichen Darlehensvertrag vereinbarten Konditionen (Verwendungszweck, Laufzeit, Sicherheiten, Zinsbindungsfrist) im Wesentlichen. Dazu, dass
die Kläger wegen ihrer konkreten Situation (Bonität, Sicherheiten) eine Refinanzierung nur zu schlechteren als den in der Statistik ausgewiesenen Bedingungen erhalten hätten, hat die Beklagte nichts vorgetragen. Wie sie auch die von den Klägern in Anlage K 8 konkret vorgenommene Berechnung des Wertersatzes nicht in Zweifel gezogen hat.
Die Kappungsgrenze des § 346 Abs.2 Satz 2 BGB ist unbeachtlich, nachdem der
Marktzins durchgehend unter dem Vertragszins liegt.
3.
Nach Aufrechnung ihres eigenen Anspruchs auf Zinsrückzahlung in Höhe von € 17.490,18 gegen den Anspruch der Beklagten auf Nutzungswertersatz in Höhe von € 13.329,64 stehen den Klägern noch € 4.160,54 zu. Insoweit ist die Klage begründet.
Im Übrigen ist ihr Anspruch auf Zinsrückzahlung erloschen, § 389 BGB.
4. Das Gericht hat den Klägern, mangels anderweitigen Vortrags zur Teilhabe der einzelnen Kläger an dem Anspruch, den Anspruch als Mitgläubiger, § 432 BGB, zugesprochen.