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27.05.2016 Das Institut für Finanzdienstleistungen (iff) rechtfertigt seine von den Vorgaben des Bundesgerichtshofs (BGH) abweichenden Berechnung der Rückabwicklung von Kreditverträgen. Der BGH habe sich gegen die Anwendung einer auf Zahlungsströmen basierten Finanzmathematik entschieden, erklärt das renommierte Institut. Bei der Rückabwicklung von Krediten stelle das Verbraucher besser. Zu erwarten sei aber, dass die falsche Abrechnung von Finanzdienstleistungen sich in Zukunft wieder zu Lasten von Verbrauchern auswirken werde, befürchten die Experten aus Hamburg.
So setzt das iff an: Werde ein Kredit rückabgewickelt, sollen beide Seiten so gestellt werden, als habe es den Vertrag nie gegeben. Dies beinhalte zweierlei: Zum einen werden die geleisteten Zahlungen – Zins wie Tilgung – zurückgezahlt. Zum anderen seien aber auch die Nutzungen herauszugeben, die die Parteien mit dem jeweils vom anderen Teil zur Verfügung gestellten Kapital erzielen konnten. Bei einem Kreditvertrag zur Finanzierung einer Immobilie müsse der Kreditnehmer eigentlich den „Gebrauchswert“ der finanzierten Immobilie erstatten. Hat der Kreditnehmer das Haus vermietet, müsste er fairerweise die damit erwirtschafteten Erträge herausgeben.
Bei der Berechnung der Nutzung ist dabei aus Sicht der Finanzmathematiker zu berücksichtigen, wie lange jeweils ein Betrag bei einer der beiden Parteien verfüg- und damit nutzbar war. Bei Immobilienkrediten werde die finanzierte Immobilie als Ganzes genutzt – unabhängig vom Fortschritt der Tilgung des Kredits. Dementsprechend sei es angemessen, wenn der Kreditnehmer über den Zeitraum von Vertragsschluss bis Widerruf auch den Wert der Nutzung des gesamten Kreditbetrags zu vergüten habe. Eine Verminderung um die rein rechnerischen Tilgungsanteile gehe an der Realität vorbei, das Haus werde schließlich nicht wieder abgebaut, argumentieren die Finanzmathematiker.
Annuitätendarlehen seien dem Bedarf entsprechend so konstruiert, dass Kreditnehmer gleichmäßige Raten zu zahlen haben. Dass sich als finanzmathematisch notwendige Folge davon je nach vereinbartem Zinssatz und Ratenhöhe ein zunehmend hoher Tilgungsanteil jeder Ratenzahlung ergebe, sei lediglich eine Verrechnungsgröße ohne direkten Bezug zur Realität. Sie tauge daher nicht als Grundlage für die Ermittlung der tatsächlichen Nutzung, die der Kreditnehmer aus dem Kredit gezogen hat.
Nach den beiden BGH-Beschlüssen (vom 22.09.2015, Aktenzeichen: XI ZR 116/15 und vom 12.01.2016, Aktenzeichen: XI ZR 366/15) werden die Kreditinstitute aus Sicht des iff so behandelt, als würden sie die vollen Ratenzahlungen des Kunden nutzen. Beim Verbraucher hingegen werde nur auf den um den rechnerischen Tilgungsanteil reduzierten Kreditbetrag abgestellt, monieren die Finanzdienstleistungsexperten. Das sei nicht fair und könne Verbrauchern unter anderen Vorzeichen auf die Füße fallen.
Außerdem äußere der BGH sich bislang nicht dazu, welche Zinsberechnungsmethode anzuwenden sei. Finanzmathematiker kennen mehr als ein Dutzend verschiedene Zinsberechnungsarten. Das iff habe sich entschieden, die einzig normierte Methode anzuwenden und rechne angelehnt an die in der Anlage zur Preisangabenverordnung angegebene Formel. Das ist die so genannte „Wachstumsformel“ (exponentielle Zinsformel) unter zahlungsgenauer Zinsverrechnung und Ansatz der tatsächlichen Zinstage. Sie beinhaltet einen Zinseszinseffekt und berücksichtigt damit die Bedeutung des Zeitpunkts einer Zinszahlung angemessen, die bei nomineller Berechnung der Zinsen jede Bedeutung verliere. Überdies habe sie den Vorteil, dass die von der Bundesbank in ihren Zeitreihen ausgewiesenen Marktzinssätze entsprechend erhoben und berechnet wurden. Anders als herkömmliche Methoden müsse das iff für die Berechnung der Rückabwicklung eines Kredits nicht die Zinssätze aus den Bundesbankzeitreihen in einen Nominalzins umrechnen. Dementsprechend lege das iff seiner Berechnung, wenn günstiger, den vertraglichen Effektivzins (den so genannten „effektiven Jahreszins“) und nicht den vertraglichen Nominalzins zu Grunde. Nur so sei es zu vermeiden, das Äpfel mit Birnen verglichen würden.