Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen aus der Zeit 1994 bis 2007
Ich nehme die Berichterstattung über das BGH-Urteil vom gestrigen 17.7.2014 (AZ: IV ZR 73/13) zum Anlass, hier mal ein Thema zu starten. In fas allen Presseberichten dazu wird fälschlich der Eindruck erweckt, die Verträge aus der Zeit 1994 - 2007 seien alle nicht zu beanstanden und könnten nicht widerrufen werden. Das ist falsch.
Der BGH hat nur entschieden, dass diese Verträge nicht alle von vornherein unwirksam sind. Wenn aber z.B. die Widerrufsbelehrung fehlt oder falsch ist, dann können diese Verträge ohne zeitliche Grenze widerrufen und damit rückabgewickelt werden.
Warum ich das hier poste? Zum einen weil ich als Anwalt diese Fälle vertrete. Aber abgesehen von dem mir sicher gleich wieder unterstellten Werbezweck dieses Posts würde mich von den hier anwesenden Insidern (Makler, Finanzberater usw.) mal interessieren, warum das Thema Widerruf so gar nicht an die Kunden kommuniziert wird?
Was spricht denn dagegen, einem Versicherten, der z.B. seit 2000 monatlich brav seine Beiträge zahlt und jetzt eine absehbare Rendite bei Vertragsende von 0,0002% ansteuert, zu empfehlen, das Ding zu widerrufen?
Dann bekommt er jetzt seine kompletten Beiträge zurück und eine Verzinsung (deren Höhe man nicht garantieren kann, die aber schon mit 7% angesetzt wurde).
Also: Ich bitte um Argumente, warum ein Widerruf Quatsch ist!
(PS: Das hier soll kein Rechtsberatungsthema werden, ich beantworte also keine individuellen Fragen. Ich hoffe auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit allseitigem Erkenntnisgewinn!)
AW: Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen aus der Zeit 1994 bis 2007
Zitat von mueller5544
Warum ich das hier poste? Zum einen weil ich als Anwalt diese Fälle vertrete. Aber abgesehen von dem mir sicher gleich wieder unterstellten Werbezweck dieses Posts würde mich von den hier anwesenden Insidern (Makler, Finanzberater usw.) mal interessieren, warum das Thema Widerruf so gar nicht an die Kunden kommuniziert wird?
Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe.
Oder, der Vertrieb kann an dieser Beratung nichts (mehr!!!) verdienen.
Wie stark die Finanzmafia ist, zeigt gerade die breit (und vielleicht auch falsch?) kummunizierte Rechtsprechung des BGH. Würde gerne noch ein paar Details hören. Geht es weiter zum EUGH?
Zitat von mueller5544
Was spricht denn dagegen, einem Versicherten, der z.B. seit 2000 monatlich brav seine Beiträge zahlt und jetzt eine absehbare Rendite bei Vertragsende von 0,0002% ansteuert, zu empfehlen, das Ding zu widerrufen?
Das Gerichtskostenrisiko (Streitwert = Einzahlungen?) oder übernimmt die Rechtschutz? Das ist doch bewußt draußen in der Rechtschutz.
AW: Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen aus der Zeit 1994 bis 2007
Der Anwalt wird bezahlt, unabhängig davon, ob er etwas Sinnvolles tut oder einen Erfolg verbucht. Der Makler wird mit Ausnahme von Honorarvereinbarungen nur bei Erfolg bezahlt.
Der Stundensatz des RA ist völlig unabhängig vom Erfolg wesentlich höher als der vom Makler.
Insofern wäre ich vorsichtig mit diesen schon wieder unterschwelligen Vorwürfen Richtung Makler.
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Warum wir Makler nicht einfach irgendwas empfehlen, das wir gar nicht empfehlen dürfen? Liegt vermutlich daran, dass wir keine Steuer- und oder Rechtsberatung erbringen dürfen. Das ist nur auf niedrigster Ebene und im Regelfall nur im Vermittlungskontext möglich, Beschwerden bitte an den Gesetzgeber (sollte ein RA eig. wissen ...).
Der zweite Grund: Wir haften mit unserem Privatvermögen und unbegrenzt für unsere Beratung. Empfiehlt der Makler den Widerruf der KLV und am Folgetag auf die Abwicklung hin verstirbt der VN, haftet der Makler für die entgangene Todesfallleistung ... der RA hingegen wird so oder so bezahlt.
Abgesehen davon ist es eine mutige Behauptung, wir Makler würden gar nichts in die Richtung tun.
Ich für meinen Teil kaufe immer wieder KLVs an (ohne Zwischenhändler), was eine win win Situation für Verbraucher und Makler sein kann.
Bei offensichtlich unvollständigen Unterlagen empfehle ich ggf. eine renomierte Kanzlei mit entsprechender Spezialisierung und nachweisbaren Erfolgsquoten. Mit Wald- und Wiesenkanzleien hab ich es nichts so.
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Und Quatsch ist schlichtweg die Illusion, man könnte mal so eben widerrufen, nur weil im unsortierten Ordner des Kunden keine korrekte Widerrufsbelehrung enthalten ist. Weiter führe ich das mal nicht aus, bevor dann noch die Rechtsberatungskeule kommt.
Der Makler muss Kosten und Vergütungen seines Geschäfts inzwischen weitgehend offen legen. Wie siehts bei einem RA aus, wenn er durch die Instanzen klagen muss?
Haftet der RA für seine Berechnung der Ablaufleistung? Ich denke nicht ...
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@fmeier
Und was die Rechtsschutz angeht, klassische Policen sind nicht automatisch draußen. Da spielen ganz andere Überlegungen eine Rolle, ob es eine Leistung gibt oder nicht.
Aber darüber kann der eierlegende Wollmilchsau RA sicherlich auch aufklären.
AW: Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen aus der Zeit 1994 bis 2007
Zu Florianmeier:
Zu verdienen gäbe es schon was, denn mit dem zurückgezahlten Geld muss ja auch wieder etwas passieren. Vor allem aber lebt man als Dienstleister aber auch davon, dass man einen guten Rat gibt. Es muss ja nicht eine Empfehlung zum Widerruf sein, es reicht ja die Information darüber, dass eine solche Möglichkeit bestehen könnte und eine Beratung über die von Torsten Beitrag angesprochenen Probleme (Wegfall Todesfallschutz/BU-Schutz).
Ich weis nicht, ob den einen oder anderen die Sorge umtreibt, was im Fall einer Rückabwicklung mit der Vermittlungsprovision von damals passiert (Rückzahlung?). Ich gehe aber davon aus, dass nach Ablauf der vereinbarten Stornofristen für die Makler an dieser Stelle kaum Risiken bestehen. Allerdings kommt es hier auf die jeweilige Vereinbarung zwischen Makler und Versicherung an.
Das Kostenrisiko ist derzeit kein Problem. Selbst wenn noch keine Rechtsschutz besteht kann noch eine abgeschlossen werden, denn der Versicherungsfall tritt erst ein, wenn der Widerruf durch die Versicherung nicht akzeptiert wird (ist vom BGH entschieden). Natürlich werden die Versicherer - wie bei Immobiliendarlehen geschehen - die LV-Verträge irgend wann explizit ausschließen. Derzeit ist das aber noch nicht der Fall.
Zu Torsten Beitrag:
Das Argument Rechtsberatung greift erst dort, wo es um die rechtliche Prüfung des Einzelfalles geht (§ 2 Abs. 1 RDG). Jemandem mit einem LV Vertrag aus dem kritischen Zeitraum zu informieren, dass es hier viele Verträge mit Widerrufsmöglichkeiten gibt, wäre keine Rechtsberatung, sondern eine vielleicht sehr wertvolle Information.
Auch keine Rechtsberatung wäre eine Äußerung dazu, warum man einem Kunden nicht empfehlen sollte einen Widerruf zu prüfen, wenn im unsortierten Ordner keine Belehrung enthalten ist. Entscheidend ist doch eher, ob - bezogen auf die individuelle (finanzielle) Situation des Kunden - ein Widerruf sinnvoll ist. Erst der nächste Schritt wäre die Prüfung, ob eine Widerruf auch rechtlich durchsetzbar ist.
Das Makler in der Sache nichts Tun stimmt so natürlich nicht. Es gibt Makler, die sind da recht aktiv. Aber insgesamt habe ich den Eindruck, das Thema wird noch nicht wirklich ernst genommen.
AW: Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen aus der Zeit 1994 bis 2007
Hallo an alle,
Ich habe auch meine Lebensversicherung widerrufen lassen nachdem ich von dem BGH Urteil gehört habe. Falls jemand dies auch machen will sollte man lieber ein Verbraucherportal oder sowas in Anspruch nehmen als denselben Fehler wie ich zu begehen. Ich bin damals leider direkt zu meinem Anwalt gerannt anstatt meine LV einfach online prüfen zu lassen. Seiten wie verbraucherhilfe24.de checken eure Lebensversicherung ohne Aufpreis und ihr werdet nicht verarscht wie ich.
LG Heiko