Betriebswirtschaftliche Grundlagen für eine erfolgreiche Existenzgründung
Kennen Sie einen Existenzgründer, der sich ohne betriebswirtschaftliches Wissen mittel- und langfristig am Markt behauptet? Nein? Ich auch nicht! Die Rede ist nicht von Startups, die mit überdurchschnittlich viel Kapital auf den Markt drängen, sondern hier ist die Rede von einem Ein- bzw. Zweimannbetrieb. Die Frage, die sich hier aber tatsächlich aufdrängt, ist: wie viel BWL-Wissen ist notwendig, um als Gründer intelligente Fragen stellen zu können, um Zusammenhänge verstehen zu können, um mitreden zu können?
Ich habe mich länger mit dem Thema Existenzgründung beschäftigt, d.h. Businesspläne erstellt, Jungunternehmer beraten und verschiedene Gründerseminare inhaltlich evaluiert. Ich möchte mit diesem Beitrag die eingangs gestellte Frage beantworten und hoffe, dass sich eine rege Diskussion entwickelt.
Ausgehend von einer Geschäftsidee eines einzelnen Gründers, ohne BWL-Studium oder kaufmännischer Ausbildung, steht ganz zu Beginn der Unternehmung immer die Frage nach den Zielen! Denn ohne Ziele kann auch die Betriebswirtschaft nicht sinnvoll helfen. In Existenzgründerseminaren ist nach der ersten Antwort – die da fast immer lautet „Gewinn“ – meist Schluss. Nach einem längeren Brainstorming fallen dann aber doch noch andere Zielkategorien, wie Wachstum, Innovation, Marktorientierung, Kundenorientierung und wer personell wachsen will auch Mitarbeiterorientierung. Die meisten Unternehmungen rechnen sich einfach nicht sofort. Ausweg ist daher eine Wachstumsperspektive, die einhergehen muss mit immer höheren Gewinnen, höherer Bekanntheit und höherem Marktanteil. Dies wiederum kann nur dadurch bewerkstelligt werden, wenn auf die Innovationskraft des Produkts/ der Dienstleistung geachtet wird, die sich an den Bedürfnissen von Markt und Kunden orientiert. Mit Marktorientierung ist gemeint, dass der Gründer seine Unternehmung in einem Wettbewerb um Kunden einordnet, d.h. der Gründer muss Informationen darüber einholen, wie groß sein Markt ist und wer seine Wettbewerber sind. Kundenorientierung bedeutet hingegen Informationen über Bedürfnisse potentieller Kundengruppen (Typen) zu gewinnen und konkret alle Fragen rund um den Vertrieb zu klären, wie etwa bestimmte Serviceleistungen, die ein Kunde beim Kauf umsonst bekommt. Mitarbeiterorientierung ist eine Zielkategorie, die oft vernachlässigt wird. Wer aber Geschäftsprozesse in fremde Hände gibt, der ist auch dazu angehalten, für einen effektiven und zielführenden Ablauf der Prozesse zu sorgen.
Die Betriebswirtschaft fasst diese Ziele in vier Begriffen zusammen:
Liquidität
Rentabilität
Produktziele
Soziale Ziele
Für jene Kategorien gibt es unterschiedliche Kennzahlen und Herangehensweisen der Erfassung. Diese möchte ich kurz darstellen:
Liquidität
Wer liquide ist, der ist zahlungsfähig. Liquidität ist eine daher eine überlebenswichtige Funktion in Unternehmen. Um sie aufrecht zu erhalten, müssen die Einnahmen immer größer als die Ausgaben sein. Betrachtet werden alle tatsächlichen Auszahlungen und Einzahlungen einer Periode, nicht aber Kosten, die nur auf dem Papier stehen (z.B. Abschreibungen, Sparrate, Rückstellungen, Forderungen). Beispiele aus Einzahlungen sind z.B. Kreditzuflüsse, Fördermittelzuschüsse und Umsätze. In Betracht kommen also nicht nur Einzahlungen aus dem Kerngeschäft, sondern alle Ein- und Auszahlungen. Ziel des Unternehmers muss eine Überdeckung sein.
Rentabilität
Wer rentabel ist, der erwirtschaftet Gewinne. Gewinn wird berechnet aus Umsatz (Ertrag) abzüglich Kosten. Erträge sind aber nicht gleich Einnahmen, und Kosten sind nicht gleich Ausgaben. Die Ausnahmen (wie unter Liquidität beschrieben) verdeutlichen, dass es sich eben nicht um Ausgaben in dieser Periode handelt, sondern um Ausgaben in vorherigen (z.B. Abschreibung) oder in zukünftigen Perioden (z.B. Rückstellung) handelt. Die Kosten werden lediglich durch die getätigten Erträge dieser Periode gedeckt bzw. erwirtschaftet. Ebenso enthalten Umsätze Ausgaben wie Umsatzsteuer und direkte Kosten. Forderungen sind zukünftige Einnahmen, die einer Periode zugerechnet werden. So kann es gut sein, dass ein Produkt in einem Geschäftsjahr zwar rentabel, aber nicht liquide ist, weil viele Einzahlungen erst in der Zukunft in das Unternehmen fließen, dennoch entstehen Ausgaben (z.B. Umsatzsteuer für das Finanzamt auf die getätigten Verkäufe).
Die Umsatzrentabilität ist eine recht bekannte betriebswirtschaftliche Kennzahl. Sie setzt den Umsatz ins Verhältnis zum Gewinn. Kapitalrentabilität ist ebenfalls eine wichtige Kennzahl, die angibt, welche Rendite das eingesetzte Kapital erwirtschaftet (=Gewinn/eingesetztes Kapital). Typischerweise wird die Kapitalrentabilität mit dem Zinssatz auf der Bank verglichen. Denn dort verdient man das Geld ja im Schlaf (wenn auch nicht viel). Eine vernünftige Kapitalrentabilität liegt so zwischen 10 und 15%. Sie ist jedoch abhängig vom Gewinnstreben der Investoren (Kreditgeber, Unternehmer).
Produktziele
Die erste Frage, die Unternehmer beantworten müssen, ist, mit welchen Produkten die gesetzten Rentabilitätsziele erreicht werden sollen. Produkte sind also nicht das WAS einer Unternehmung, sondern das WOMIT. Das WAS kommt vielmehr in der Vision und im Kundenversprechen als abstrakte Botschaft zum Ausdruck. Viele Gründer verwechseln das. Ist das Produktsortiment hinreichend definiert, so stellt sich die Frage des Marktes. Wo wird verkauft, an wen wird verkauft, welcher Marktanteil wird angestrebt, wer ist der Marktführer? Marktnischen müssen gesucht werden, denn hier haben Gründer die Chance eine Marktführerschaft aufzubauen. Daneben sollten weitere Ziele im Blick gehalten werden, die anfangs noch nicht so relevant sind, mittelfristig aber unverzichtbar werden: Wie äußert sich Qualität in den Produkten/ Dienstleistungen? Wie wird die Kundenzufriedenheit gemessen? Wie innovativ soll die Marke oder das Produkt sein? Weitere Produktziele sind möglich und abhängig von der jeweiligen Unternehmung. Die Produktziele verursachen in der Regel auch Kosten, die vorab ermittelbar sind. Es ist Aufgabe des Gründers diese Kosten realitätsgetreu abzuschätzen.
Soziale Ziele
Eingangs wurde die Mitarbeiterorientierung bereits erwähnt als ein Thema, das oft von Gründern vergessen wird. Die Frage der Motivation von Mitarbeitern und auch die Eigenmotivation ist durchaus eine Schlüsselfrage, da ohne Motivation die Prozesse im Unternehmen nicht gut ablaufen werden. Faktoren, die die Motivation beeinflussen, sind Weiterbildung, Arbeitszeiten, Arbeitsentgelt, Image des Unternehmens und Führungskompetenz. Daher ist es wichtig einen Verhaltenskodex zu formulieren, der Prinzipien vorgibt, nach denen Mitarbeiter handeln sollen. Ähnlich wie die 10 Gebote im Leben, helfen einmal festgesetzte, akzeptierte und gelebte Werte den Mitarbeitern sich im Arbeitsalltag effektiv und effizient zu arbeiten. Auch das motiviert.
Wer tiefer in die Materie einsteigen will und mehr über die Kennzahlen erfahren möchte, dem sei der Onlinekurs BWL für Nichtkaufleute empfohlen! Doch was denkt ihr, welches BWL-Wissen sollten Existenzgründer unbedingt haben und was ist hier noch unbeantwortet geblieben? Kennt ihr Beispiele, bei denen eine Unternehmensgründung auch ganz ohne BWL-Wissen gelungen ist?
AW: Betriebswirtschaftliche Grundlagen für eine erfolgreiche Existenzgründung
Ich würde sogar behaupten, dass die meisten freiberuflichen Einmannbetriebe ohne echtes betriebswirtschaftliches Know-How gestartet werden, WENN nicht der Inhaber sowieso aus der Kaufmannschiene kommt. Man lernt mit seinen Fehlern und erarbeitet sich das nötige Wissen da wo es nötig ist.
AW: Betriebswirtschaftliche Grundlagen für eine erfolgreiche Existenzgründung
Zitat von Malur
Kennen Sie einen Existenzgründer, der sich ohne betriebswirtschaftliches Wissen mittel- und langfristig am Markt behauptet? Nein? Ich auch nicht!
Ähm, ich schon! Genau gesagt kenne ich mehr Existenzgründer, die OHNE BWL erfolgreich geworden sind als solche, die TROTZ BWL etwas gerissen hätten! Oder anders: ich kenne etliche Existenzgründer, die gerade WEGEN ihres BWL-Studiums auf die Fresse geflogen sind!
Denn "betriebswirtschafliches Wissen" hat mit Existenzgründung überhaupt nix zu tun! Beim BWL lernt man, wie man nternehmen verwalteet und nciht, wie man sie gründet! BWL ist wichtig, wenn man sein Leben lang für andere Geld verdienen will. Wie man für sich selber Geld verdient, lernt man dort nicht.