Die Nervosität an den Börsen ist gewaltig. Weltweit zeigen die Aktienindizies nach unten. Seit dem Beginn der Subprime-Krise vergangenen Sommer sind bis Mitte März weltweit Vermögen von etwa 9 Bio. $ zerstört worden. Allein das Platzen der Spekulationsblase an den US-Immobilienmärkten dürfte Buchverluste von gegen einer Bio. $ verursacht haben. Dennoch bleibt unsicher, ob das Schlimmste bereits überstanden ist. Noch stockt der Interbankenhandel. Den Geschäftsbanken fehlt das Vertrauen, sich untereinander Geld zu leihen. Zudem sind in den letzten Wochen selbst die lange von der Krise verschonten Hedge Funds in die Abwärtsspirale aus Kreditausfällen, Wertberichtigungen und Verlusten geraten.
Damit droht die Kredit- und Finanzkrise weiterhin auf den privaten Konsum, die Investitionstätigkeit und auf Beschäftigung und Wachstum überzugreifen. In den USA herrscht nach wie vor die Angst vor einer Rezession. In dieser kritischen Situation reagieren die Notenbanken mit einer Vorwärtsstrategie: Sie pumpen zusätzliches Geld ins System.
Fed schafft noch mehr Liquidität
Zunächst senkte die amerikanische Zentralbank (Fed) den Leitzins im Januar von 4,25 auf 3% und am Dienstag nun auf 2,25%. Vergangene Woche haben das Fed, die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank of England, die Bank of Canada und die Schweizerische Nationalbank in einer koordinierten Aktion über 200 Mrd. $ Liquidität bereitgestellt. Damit sollen die ausgetrockneten Refinanzierungsmärkte wiederbelebt und die Kreditklemme beseitigt werden. Auf den ersten Blick scheint die monetäre Medizin zu wirken. Die Aktienkurse reagierten mit Kursgewinnen auf die Liquiditätsspritzen. Bei genauerem Hinsehen ist mit einer Öffnung der Geldschleusen bestenfalls eine Symptomtherapie gelungen. Von einer Ursachenbeseitigung kann keine Rede sein. Im Gegenteil.
Das Problem der US-Wirtschaft ist kein Problem mangelnder Liquidität. Es ist ein Problem der überreichlichen Liquidität und des mangelnden Vertrauens - die Folge früherer ordnungspolitischer Sünden, die ein Leben auf Pump gefördert und Spekulation mit billigem Geld ermöglicht haben.
Die heutigen Verwerfungen sind das Ergebnis einer Kettenreaktion. Auf das Platzen einer Blase wurde mit dem Aufpumpen neuer Blasen reagiert. So ist letztlich die jetzige Immobilienkrise in den USA die Spätfolge der zerstörten Illusionen einer New Economy, in der die alten Gesetze der Ökonomie ausser Kraft gesetzt sein sollten. Damals wie heute wurde auf eine Krise mit einer Öffnung der Geldschleusen reagiert.
Die expansive Geldpolitik der US-Notenbank und das mit Schulden finanzierte Konjunkturprogramm der amerikanischen Regierung sind nichts weniger als ein Bail-out, die Schuldenübernahme und Tilgung durch Dritte. Sie sind eine Enthaftung der Verantwortlichen. Sie entlasten Kreditgeber und -nehmer von den Risiken, die sie freiwillig, ohne Zwang und mit Hoffnungen auf gute Renditen eingegangen sind. Ein staatliches Bail-out ist eine risikofreie Einladung an Spekulanten, neue Luftschlösser aufzubauen. Denn sie dürfen aus den Erfahrungen des Platzens früherer Blasen von New Economy bis zur Subprime-Krise davon ausgehen, dass der Staat bei grossen Finanzmarktkrisen auch künftig den privaten Verursachern rettend zur Seite springen wird.
Mehr noch: Bei kleinen Kurseinbrüchen und geringen gesamtwirtschaftlichen Folgekosten ist unsicher, ob sich Regierungen und Notenbanken in die Pflicht nehmen lassen. Erst wenn Spekulanten den Status des «too big to fail» erreicht haben, bleibt den Regierungen im gesamtwirtschaftlichen Interesse in der Tat wenig anderes übrig, als zu retten, was noch zu retten ist. Aus diesem asymmetrischen Verhalten entstehen für die Spieler an den Finanzmärkten erst recht verführerische Anreize, übergrosse Risiken einzugehen.
Die Folgen einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik zur Stützung der Finanzmärkte sind höhere Staatsausgaben oder höhere Inflation. Beides trifft unbeteiligte Dritte - die Steuerzahler oder die Gesellschaft insgesamt. Entweder werden für die Finanzspritzen Steuergelder verschwendet, oder als Folge der übermässigen Liquiditätsversorgung steigen die Lebenshaltungskosten. Dadurch verlieren Renten und Spareinlagen an Wert. Staatliche Hilfen zahlen immer alle, gerade auch die «kleinen Leute», die zuvor gar nicht von Kursgewinnen an der Börse profitieren konnten. Das ist ungerecht. Eine derartige Politik, die Gewinne privatisiert, aber Verluste sozialisiert, kann kein Vorbild für Europa sein.
Sich selbst überlassene Kurskorrekturen nach oben wie nach unten lenken die unverzichtbare unsichtbare Hand eines marktwirtschaftlichen, kapitalistischen Systems. Wer an der Börse Gewinne mitnimmt, muss auch für die Verluste geradestehen. Gewinn und Verlust gehören in der Marktwirtschaft genauso untrennbar zusammen wie Verantwortung und Haftung. Alles andere verleitet zu mangelndem Risikobewusstsein, Verantwortungslosigkeit und damit zu Spekulation und zur nächsten Krise.
Genau so jedoch erfolgt das geld- und fiskalpolitische Management der Finanzkrise in den USA - gottlob noch nicht in Europa und in der Schweiz. Die expansive Geldpolitik des Fed und das mit Schulden finanzierte Konjunkturprogramm der US-Regierung säen die Saat für die nächste Blase aus. Wie andere Spekulationsblasen werden auch diese platzen. Die Frage ist nur wann.
Verhängnisvolle Dynamik
Die erste neue Blase folgt unmittelbar aus den Zinssenkungen in den USA. Mit einer Leitzinsdifferenz für Dollar und Euro von mittlerweile 1,75% beginnen die Anleger ihre Portfolios umzuschichten. Sie verkaufen Dollar und kaufen Euro oder Franken und andere besser rentierende Währungen. Der hohe Wertzerfall des Dollars ist die Folge. Das wiederum setzt eine Eigendynamik in Gang. Immer mehr Devisenmarktakteure beginnen an der weltwirtschaftlichen Dominanz der USA und am Dollar als Leit- und Reservewährung zu zweifeln. Entsprechend verkaufen auch sie ihre Dollaranlagen. Am Ende bricht der Kurs weit unter alle durch realwirtschaftliche Faktoren begründbare Auffanglinien hindurch.
Die gleiche Eigendynamik findet sich in den letzten Wochen für Edelmetalle, Energieträger und Rohstoffe. Der Goldpreis ist in Dollar je Feinunze in drei Monaten um einen Viertel gestiegen und hat sich in fünf Jahren verdreifacht. Der Ölpreis sprang über 100 $, der Weizenpreis hat sich in zehn Monaten verdoppelt. Viele andere Belege für andere Edelmetalle und Rohstoffe deuten auf neu entstandene Spekulationsblasen hin. Da braucht es in diesen hektischen Börsentagen nur einen sanften Stimmungswandel, um heftige Kurskorrekturen nach unten auszulösen.
Alles in allem gleichen die Lage auf den Finanzmärkten und die bisher angebotenen Lösungen einer Hydra. Kaum ist eine Blase geplatzt, entstehen andernorts andere, neue Überhitzungen und über reale Entwicklungen weit hinausschiessende Preissteigerungen. Deshalb sollten kluge Anleger nicht der Herde, sondern der Vernunft folgen.
Prof. Dr. Thomas Straubhaar ist Leiter des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI).
Das FED schaufelt der Wirtschaft das Grab gleich selbst.
Die Liquiditätsspritzen wirken nur noch Stundenweise. Beunruhigend, denn sollte sie doch eine Kehrtwende einrichten. Doch lindert sie kaum noch.
Profis sorgen sich längst nicht mehr um Subprime! Nein, Sie sorgen sich um das FED, da diese nicht mehr die Macht hat Gegensteuer zu geben. Dies ist höchst alarmierend! Damit kann die drohende Rezession nicht mehr abgewendet werden. Die Wirtschaft ist sich selbst überlassen. Korruption und Gangstertum blüht! Börsenhandel wird zum Insidergeschenkladen und hat etwa mit Langfristinvestment nichts mehr zu tun...höchstens mit lang-frisst-Investment-weg.