OLG Frankfurt am Main, 22.06.2016 - 17 U 224/15
Leitsatz:
- 1.
Es liegt eine der sog. Gesetzlichkeitsfiktion entgegenstehende inhaltliche Änderung und Abweichung von der Musterbelehrung vor, wenn der Gestaltungshinweis Nr. 9 der Musterbelehrung betreffend die Hinweise für finanzierte Geschäfte dadurch missachtet wird, dass im Fall des finanzierten Grundstückserwerbs die darlehensgewährende Bank anstatt den Satz 2 der allgemeinen Hinweise zwingend durch die speziellen Hinweise zu ersetzen, die Belehrung betreffend den finanzierten Grundstückserwerb hinter Satz 2 in die vollständig beibehaltenen Hinweise für finanzierte Geschäfte einfügt. - 2.
Zu den Voraussetzungen der Verwirkung des Widerrufsrechts und der unzulässigen Rechtsausübung - 3.
Von einem Rechtsmissbrauch kann auch dann nicht ausgegangen werden, wenn der Verbraucher - wie hier - für sich keinen Übereilungsschutz in Anspruch zu nehmen gedenkt, sondern aus dem Widerruf einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen will (BGH, Urteil vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15, Juris Rn. 16 ff.; Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 35). - 4.
Bei der vom Darlehensgeber gegenüber dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 1 BGB geschuldeten Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und dem gemäß § 346 Abs. 1 Hs. 2 BGB herauszugebenden Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gilt der gesetzliche Verzugszins von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 497 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 503 n.F. bei Realkrediten ohne zusätzliche Angaben auch für die Verzinsung des von der Bank herauszugebenden Nutzungsersatzes.
Anmerkung:
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Tenor:
Das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 06.11.2015 (Az.: 8 O 141/15) wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.806,49 € nebst Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.05.2011 bis zum 26.02.2015 und Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2015 zuzüglich vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.09.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung und die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten 2/3 und dem Kläger 1/3 zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.