Widerrufsjoker - Erfahrungen

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  1. Avatar von enduristi
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    Standard Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Hallo,

    ich bin gerade dabei meine Widerrufsbelehrungen überprüfen zu lassen ob diese evtl. fehlerhaft sind und ich die im letzten Oktober bezahlte Vorfälligkeitsentschädigung der Bank zurückfordern kann. Speziell eine Widerrufsbelehrung scheint fehlerhaft zu sein.

    Gibt es hier User die hierzu Erfahrungen gemacht haben? Gerne würde ich mich diesbezüglich austauschen, auch per PN oder Email.

    Grüsse

    Endu

  2. Avatar von okerke
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von eugh
    Liegt bei Dir der Streitwert >20.000€ für den Fall, dass das OLG Köln die Revision nicht zulassen will? Die Frage mag etwas verfrüht sein, aber besser, wenn man schon einmal daran denkt, dem OLG etwas bzgl. "bitte die Revision zulassen" mit auf den Weg gibt - und die Zeit bis dahin nutzt, geeignete Argumente wie z.B. divergierende OLG-Entscheidungen passend zum eigenen Fall zu sammeln. Ob es dann hilft, weiß ich nicht, aber es schadet jedenfalls nicht.

    Ja liegt drüber, es besteht natürlich auch die Gefahr dass der BGH eine evtl. erforderliche NZB zurückweist.

  3. Avatar von okerke
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von eugh
    Nochmal nach Dortmund:



    Und noch eine Klageabweisung: LG Dortmund, 21.10.2016 - 3 O 448/15 - echt ätzend:Was soll das? Ich war bisher der Ansicht, dass Gestaltungshinweise sehr wohl korrekt angewandt werden müssen und es dabei nicht darauf ankommt, ob ein falsch angewandter Gestaltungshinweis (da im Einzelfall unzutreffend) dazu geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (wenn der Mustertext und die WRB/WRI Fehler wie z.B. verwirrende Angaben den Fristbeginn betreffend enthalten).

    Das LG Dortmund scheint das stur anders zu sehen...


    Ähnlich (m.E.) auch das OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.042016 - I-22 U 127/15 - zu dem Dr. H. Lechner (RiOLG München) in WuB 10/2016 einen schönen Artikel geschrieben hat. Auszug:Na bitte! (ich liebe dejure )
    Nicht nur die Westfalen sind stur, frag mal bei den Rheinländern nach

  4. Avatar von eugh
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Achtung, aus der o.g. BT-Drucks. 17/1394, S. 22 vom 19.04.2010 (Gesetzentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts") der ganze Absatz - sehr lesenswert (finde ich):
    Die Gesetzlichkeitsfiktion tritt nur ein, wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt und wie für den betreffenden Vertrag vorgegeben verwendet. Durch die Gestaltungshinweise nicht geforderte Weglassungen oder Ergänzungen führen zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion. Will der Darlehensgeber für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts über die bloße Information hinausgehende Rechtsfolgen vereinbaren, so ist dies – soweit rechtlich zulässig – nur an anderer Stelle möglich. Will der Darlehensgeber etwa bei Verträgen mit mehreren Darlehensnehmern gesonderte Vereinbarungen treffen, kann dies nur an anderer Stelle erfolgen. Gleiches gilt für sonstige Informationen, welche im Muster nicht ermöglicht werden. Die Fiktion tritt ferner nur ein bei einer Verwendung des Musters im Rahmen der Vertragsurkunde oder einer sonstigen Unterlage im Sinne des § 355 Absatz 3 Satz 2 BGB – neu –, nicht hingegen bei einer Nachholung der Widerrufsinformation.
    Bilde ich mir das jetzt nur ein oder ist das ein sehr gutes Argument gegen solche verbraucherfeindlichen Gerichtsentscheidungen wie oben genannt?

    Welchen Stellenwert haben diese Bundestags-Drucksachen für die Rechtsprechung? Es handelt sich ja offenbar um eines Gesetzentwurf. Die o.g. Ausführungen müssten sich doch entsprechend dann auch im Gesetz wiederfinden - sofern es in diesem Punkt so in Kraft trat.

  5. Avatar von claus47
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von eugh
    Und dann war da noch die Diskussion zur konkreten Normenkontrolle des BVerfG. Oder war es die abstrakte Normenkontrolle? Wie auch immer: Was ist daraus geworden? Wie könnten wir herausfinden, ob bisher überhaupt jemand beim BVerfG Beschwerde gegen die Gesetzesänderung eingelegt hat, nach der mWv 21.06.2016 bestimmte DV nicht mehr widerrufen werden können? Unter den Entscheidungen des BVerfG konnte ich nichts finden
    claus47:
    Das wäre dann wohl zunächst die abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 6 BVerfGG. Den Antrag kann die Bundesregierung per Kabinettsbeschluss, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages stellen. Kommt wohl nur die letzte Alternative in Betracht. Wenn die zahlreichen Proteste im Vorfeld nicht nur zum Schein erhoben worden sind, um Vebrauchernähe zu suggerieren, müsste es Herrn Dr. Schick und seinen Mitstreitern möglich sein, 25% der MdBs zu aktivieren - wenn deren Fraktionen das zulassen...
    Allerdings - wenn ich mir so die Sitzverteilung im Bundestag ansehe...

    CDU/CSU 310
    SPD 193
    Die Linke 64
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 63
    Bundestag gesamt 630

    Wo sollen die 158 Stimmen herkommen?
    claus47:
    Das wäre dann wohl eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG. Die steht nicht nur dem BGH zu, sondern jedem Gericht, das ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, also ggf. auch schon in erster Instanz dem Amtsgericht oder dem Landgericht oder dem LG/OLG in zweiter Instanz.

    Es würde mich nicht wundern, wenn das schon bald nach dem 21.06.2016 geschieht. Denkbares Szenario:

    Der DN erklärt am 22.06.2016 den Widerruf gegenüber der Bank. Bank lehnt ab oder schweigt. DN verlangt Erstattung der letzten Rate, die er natürlich unter Vorbehalt gezahlt hat. Bank lehnt ab oder schweigt. DN klagt zB. auf Rückzahlung der Rate, jedenfalls mit niedrigem Streitwert von deutlich unter 5.000 EUR und entsprechender sachlicher Zuständigkeit des Amtsgerichts. Der aufgeweckte Amtsrichter hält die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig, wonach das Widerrufsrecht am 21.06.2016 erloschen sei. Davon aber hängt es ab, ob er der Klage stattgibt oder sie abweist. Also: Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG.

    Man muss sich nicht unbedingt erst bis zum BGH hochkämpfen oder gar einen siebenstelligen Streitwert riskieren, um die Verfassungsmäßgkeit des Erlöschenstatbestandes durch das BVerfG überprüfen zu lassen. Schon ein "williger" Richter genügt.

    Aikido:
    Also, nicht die Bank, die die Verbraucherrechte ignoriert, handelt verfassungswidrig, sondern eine gerichtliche Entscheidung ist eventuell nicht verfassungskonform und daher eventuell vom Verfassungsgericht wieder aufzuheben und zur erneuten Entscheidung zurück zu überweisen ...
    Wäre es so korrekt?


    Das wäre eine Verfassungsbeschwerde, wie sie zB. den beiden von eugh heute geschilderten Verfahren zugrunde gelegen hat. Sie setzt allerdings u.a. voraus, dass der Rechtsweg erschöpft ist. Ggf. muss man – je nach Streitwert – bis zum OLG, um sich danach vom BVerfG die Tür zur Revision zum BGH öffnen zu lassen. Ist also tendenziell langwierig und kostenträchtig.



  6. Avatar von claus47
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von LGSaar
    Ich habe in meinen Unterlagen einen Kredit von 2008 noch gefunden den ich ganz vergessen hatte. Betrag 2.500€. Den könnte ich mir für den 22.6.2016 aufheben. Er wurde 2012 abgelöst mit einer VFE von 11 €. Die Rückabwicklung noch dazu, es gibt einen Streitwert von ungefähr 500€. Wenn die Bank nicht zahlt dann könnte ich bis zum BGH damit oder? Und so wie ich meine Gegnerin kenne würde sie voll mitmachen.

    Amtsgericht könnte ich alleine machen und gleich auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetztes hinweisen.

    Kenntnis vom Widerrufsrecht habe ich praktisch seit Februar 2014. Da habe ich die anderen Kredite Widerrufen.
    Wäre das noch machbar?

    Ist Deine Idee noch aktuell?

  7. Avatar von eugh
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von eugh
    Achtung, aus der o.g. BT-Drucks. 17/1394, S. 22 vom 19.04.2010 (Gesetzentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts") der ganze Absatz - sehr lesenswert (finde ich):
    Die Gesetzlichkeitsfiktion tritt nur ein, wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt und wie für den betreffenden Vertrag vorgegeben verwendet. Durch die Gestaltungshinweise nicht geforderte Weglassungen oder Ergänzungen führen zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion. Will der Darlehensgeber für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts über die bloße Information hinausgehende Rechtsfolgen vereinbaren, so ist dies – soweit rechtlich zulässig – nur an anderer Stelle möglich. Will der Darlehensgeber etwa bei Verträgen mit mehreren Darlehensnehmern gesonderte Vereinbarungen treffen, kann dies nur an anderer Stelle erfolgen. Gleiches gilt für sonstige Informationen, welche im Muster nicht ermöglicht werden. Die Fiktion tritt ferner nur ein bei einer Verwendung des Musters im Rahmen der Vertragsurkunde oder einer sonstigen Unterlage im Sinne des § 355 Absatz 3 Satz 2 BGB – neu –, nicht hingegen bei einer Nachholung der Widerrufsinformation.
    Bilde ich mir das jetzt nur ein oder ist das ein sehr gutes Argument gegen solche verbraucherfeindlichen Gerichtsentscheidungen wie oben genannt?

    Welchen Stellenwert haben diese Bundestags-Drucksachen für die Rechtsprechung? Es handelt sich ja offenbar um eines Gesetzentwurf. Die o.g. Ausführungen müssten sich doch entsprechend dann auch im Gesetz wiederfinden - sofern es in diesem Punkt so in Kraft trat.
    Ich habe es gefunden:
    Bundesgesetzblatt Jahrgang 2010 Teil I Nr. 39, ausgegeben zu Bonn am 29. Juli 2010 -
    "Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts" vom 24. Juli 2010


    Dort verlinkt ist sowohl das BGBl. mit dem Mustertext gültig vom 30.07.2010 bis 03.08.2011*, als auch BGH-Entscheidungen, welche es zitieren, z.B.:

    BGH, 12.07.2016 - XI ZR 564/15:
    c) Der Beklagten kommt die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV aF nicht zugute.

    aa) Mittels der Einführung des Art. 245 EGBGB aF hat der Gesetzgeber den Verordnungsgeber der BGB-Informationspflichten-Verordnung ermächtigt, das vom Verordnungsgeber geschaffene Muster für die Widerrufsbelehrung einem Streit über seine Gesetzmäßigkeit zu entziehen (BGH, Urteil vom 15. August 2012 - VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 Rn. 15 f. unter Verweis auf BT-Drucks. 14/7052, S. 208; vgl. zuvor schon Bodendiek, MDR 2003, 1, 3; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 14 BGB-InfoV Rn. 6). Die Reichweite der Gesetzlichkeitsfiktion ist mithin § 14 BGB-InfoV aF - im konkreten Fall in Verbindung mit § 16 BGB-InfoV - zu entnehmen.

    bb) § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF knüpft die Gesetzlichkeitsfiktion an die Bedingung, dass "das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird". Nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF darf der Unternehmer allerdings, sofern er das vom Verordnungsgeber geschaffene Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet, "in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen". Damit definiert § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF in den Grenzen der Verordnungsermächtigung die Grenze der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlichen Abweichungen (so auch ausdrücklich BT-Drucks. 17/1394, S. 22, zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24. Juli 2010 [BGBl. I S. 977]).

    Entsprechend kann sich der Unternehmer auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet, das dem Muster für die Widerrufsbelehrung in der jeweils maßgeblichen Fassung in den Grenzen des § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 13, vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 15 und vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 36 ff.; BGH, Urteile vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12, vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11, BGHZ 194, 150 Rn. 15, vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 20, vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17, vom 18. März 2014 - II ZR 109/13, WM 2014, 887 Rn. 15, vom 25. September 2014 - III ZR 440/13, WM 2015, 193 Rn. 18 und vom 12. November 2015 - I ZR 168/14, WM 2016, 968 Rn. 18; Beschluss vom 10. Februar 2015 - II ZR 163/14, juris Rn. 8). Unterzieht der Unternehmer dagegen das vom Verordnungsgeber entworfene Muster einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, die über das nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF Erlaubte hinausgeht, verliert er die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF.

    Entsprechend der durch § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF gesetzten Grenze lassen Anpassungen, die den vom Gesetzgeber selbst nach Art. 245 EGBGB, § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF als unschädlich anerkannten Abweichungen ihrer Qualität nach entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern, die Gesetzlichkeitsfiktion unberührt. Zu solchen unbedenklichen Anpassungen rechnen zum Beispiel das Einrücken oder Zentrieren von Überschriften, der Verzicht auf eine Einrahmung oder deren individuelle Gestaltung. Ebenfalls bleibt die Gesetzlichkeitsfiktion erhalten, wenn der Unternehmer die Widerrufsbelehrung im Text einem konkreten Verbrauchervertrag zuordnet oder ohne Abstriche bei der Verständlichkeit des Textes Begriffe des Musters durch Synonyme ersetzt. Ebenso geht die Gesetzlichkeitsfiktion nicht verloren, wenn der Unternehmer von sich selbst nicht in wörtlicher Übereinstimmung mit dem Muster in der dritten Person Singular, sondern in der ersten Person Plural spricht.

    Greift der Unternehmer dagegen in das Muster in einem Umfang ein, der den beispielhaft in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF aufgelisteten Abweichungen nicht mehr entspricht, geht die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF verloren. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Unternehmer Gestaltungshinweise des Musters oder sonstige Bearbeitungshinweise - auch in Form von Fußnoten - in den Belehrungstext übernimmt oder auf die Angabe der vom Verordnungsgeber - insofern ohne Verstoß gegen höherrangiges Gesetzesrecht - für das Muster im Gestaltungshinweis 3 verbindlich vorgegebenen ladungsfähigen Anschrift verzichtet. Aus dem Beschluss des II. Zivilsenats vom 20. November 2012 (II ZR 264/10, GuT 2013, 133), der eine Anpassung des Musters an § 187 Abs. 1 BGB zum Gegenstand hatte, folgt insofern nichts anderes.
    *Man beachte § 16 Überleitungsregelung für die Muster nach § 14:
    § 1 Abs. 4 Satz 2 und § 14 Abs. 1 bis 3 sind auch auf solche Informationen und Belehrungen über das Widerrufs- oder Rückgaberecht anzuwenden, die den bis zum 31. März 2008 geltenden Mustern entsprechen und dem Verbraucher vor dem 1. Oktober 2008 in Textform mitgeteilt worden sind.

  8. Avatar von LGSaar
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von claus47
    Ist Deine Idee noch aktuell?

    Ja die Idee ist da, aber ich habe später festgestellt, dass dieser Kredit kein Immobilienkredit war und nicht mit Grundschuld besichert. Für diesen Kredit gilt der 21.06.2016 daher nicht oder? Ich habe es übrigens noch nicht widerrufen. Bin nicht dazu gekommen.

  9. Avatar von eugh
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Den kannst Du immer noch widerrufen.

  10. Avatar von claus47
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von eugh
    Den kannst Du immer noch widerrufen.
    Richtig, das würde allerdings nicht zu einer kostengünstigen konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG bezüglich des Erlöschensgesetztes führen können.

    Nur für "Immobilienkredite" sollte das Widerrufsrecht am 21.06.2016 erlöschen, wie wir alle wissen:

    § 38 Absatz 3 der Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften:

    Bei Immobiliardarlehensverträgen gemäß § 492 Absatz 1a Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vom 1. August 2002 bis einschließlich 10. Juni 2010 geltenden Fassung, die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, erlischt ein fortbestehendes Widerrufsrecht spätestens drei Monate nach dem 21. März 2016, wenn das Fortbestehen des Widerrufsrechts darauf beruht, dass die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht entsprochen hat. (…)


    § 492 Abs. 1a, Satz 2 BGB in der Fassung vom 01.08.2002 bis zum 10.06.2010:

    Immobiliardarlehensverträge sind Verbraucherdarlehensverträge, bei denen die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird und zu Bedingungen erfolgt, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehensverträge und deren Zwischenfinanzierung üblich sind; der Sicherung durch ein Grundpfandrecht steht es gleich, wenn von einer Sicherung gemäß § 7 Abs. 3 bis 5 des Gesetzes über Bausparkassen abgesehen wird.


    Wenn LGSaar seinen Kreditvertrag widerruft, stellt sich die Frage der Verfassungswidrigkeit des Erlöschensgesetzes leider nicht.

    Hat vielleicht sonst jemand noch einen kleinen
    Immobiliardarlehensvertrag, der in der Zeit vom 01.08.2002 bis zum 10.06.2010 geschlossen und trotz fehlerhafter WRB nicht bis zum 21.06.2016 widerrufen worden ist? Das wäre ein super Testballon für eine konkrete Normenkontrolle mit geringem Kostenrisiko.


  11. Avatar von Marc33
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Geringes Kostenrisiko ist gut.
    Du musst erst mal einen Anwalt finden, der einen solchen Fall bei Abrechnung nach der Gebührenverordnung auch so engagiert führt, dass damit eine Chance besteht. Und ein lieblos geführter und verlorener Fall bringt keinen weiter.

  12. Avatar von claus47
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von Marc33
    Geringes Kostenrisiko ist gut.
    Du musst erst mal einen Anwalt finden, der einen solchen Fall bei Abrechnung nach der Gebührenverordnung auch so engagiert führt, dass damit eine Chance besteht. Und ein lieblos geführter und verlorener Fall bringt keinen weiter.
    Das ist ein anspruchsvolles Thema, für das sich sicherlich gleich mehrere qualifizierte und engagierte Anwälte finden lassen. Keine Kostenfrage, sondern eher eine Frage nach der verfassungsrechtlichen Qualifikation des RA und nach seinem sportlichen Ehrgeiz. Man müsste das Thema allerdings bei der Anwaltschaft publik machen.

    Im Übrigen besteht bei geringem Streitwert formal kein Anwaltszwang in erster Instanz. Deshalb würde LGSaar ja zB. seinen eigenen Prozess ggf. selbst vor dem Amtsgericht führen (s.o.). Und schon ein Amtsrichter könnte den Fall dann vor das Bundesverfassungsreicht bringen ..... wenn er denn die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Erlöschensgesetzes teilt.

    Immerhin winkt sowohl dem Anwalt als auch dem Amtsrichter ein Bericht in der "NJW".

  13. Avatar von Marc33
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von claus47

    Im Übrigen besteht bei geringem Streitwert formal kein Anwaltszwang in erster Instanz. Deshalb würde LGSaar ja zB. seinen eigenen Prozess ggf. selbst vor dem Amtsgericht führen (s.o.). Und schon ein Amtsrichter könnte den Fall dann vor das Bundesverfassungsreicht bringen ..... wenn er denn die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Erlöschensgesetzes teilt.
    Wir bekommen die Richter ja nicht mal dazu, sich mit den institutsspezifischen Nutzungen auseinander zu setzen, obwohl das nach BGH machbar wäre. Mir persönlich wäre es lieber, wir würden einen Artikel in eine juristische Fachzeitschrift bekommen, der sich inhaltlich mit Verwirkung und Nutzungen auseinandersetzt. Oder mit den sich ändernden Zinssätzen im Zeitablauf statt Vertragszins + 1% tolerierbarer Abweichung.

  14. Avatar von eugh
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen


  15. Avatar von claus47
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Zitat Zitat von Marc33
    Wir bekommen die Richter ja nicht mal dazu, sich mit den institutsspezifischen Nutzungen auseinander zu setzen, obwohl das nach BGH machbar wäre.
    Also aufgeben? Nicht so schnell. Ich spreche nicht von den LG- oder OLG-Richtern mit den typischen Streitwerten von meist einem Vielfachen der Streitwertgrenze von 5.000 € für einen Amtsgerichts-Prozess. Ich meine Amtsrichter, die durchaus mal eine "eigene" Ansicht vertreten und sich auch nicht mit den Kollegen der Kammer (LG) oder des Senats (OLG) abstimmen müssen.

    Der NJW-Artikel über Verwirkung und Nutzungen wäre wünschenswert, aber wozu in diesem Kontext?

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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Bundesgerichtshof entscheidet über Zulässigkeit eines pauschalen Entgelts für geduldete Überziehungen
    Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15

    Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein pauschales "Mindestentgelt" für geduldete Überziehungen (§ 505 BGB*) zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind.
    Also kramt Eure Kontoauszüge hervor - vielleicht geht da noch etwas...

    Die Volltexte werden später dort verfügbar sein. Bis dahin kann man sich über die Verfügbarkeit per Email benachrichtigen lassen (über den Link in der jeweiligen PDF-Datei:

    https://juris.bundesgerichtshof.de/cg...&pos=1&anz=520

    https://juris.bundesgerichtshof.de/cg...&pos=0&anz=520

  17. Avatar von ducnici
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Ich suche Urteile und Erfahrungen zu folgender Belehrung der Geno-Banken:


    „Sofern Sie nicht taggleich mit dem Vertragsschluss über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sind, beträgt die Frist einen Monat.
    Der Lauf der Frist beginnt mit Aushändigung der Ausfertigung der Vertragsurkunde und dieser Information über das Recht zum Widerruf an den Darlehensnehmer.“

    Klicken Sie auf die Grafik für eine größere Ansicht 
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    Am besten natürlich OLG Urteile…


    Ist da was adhoc bekannt?



    Ra Hünlein hat z.B. veröffentlicht:

    https://www.widerruf-darlehen-anwalt.de/widerruf-gegen-sparda-bank-hannover-erfolgreich/


    https://www.rechtsprechung.niedersach....psml&max=true

    (rechtskräftig geworden)



    Raín Rogoz zitiert ein Urteil des LG Köln v. 12.01. 2016 (n. rechtskräftig, OLG Köln, Az. 13 U 24/16)

    https://www.kredit-widerrufen.com/wid...-m/bbbank-e-g/

    https://openjur.de/u/875988.html


  18. Avatar von ducnici
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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    2. Anliegen:



    Wer kennt Fälle, in denen Verträge mit der Schwäbisch Hall, Bausparvertrag und/oder Vorausdarlehensvertrag

    von den Außendienstmitarbeitern der Schwäbisch Hall per Fernabsatz (Email, Fax, Brief, Telefon) übermittelt und abgeschlossen wurden?


    Also ohne persönlichen Kontakt des AD bzw. kein Abschluss in einer vermittelnden Bank (meist genossenschaftliche Banken)?

  19. Avatar von eugh
    eugh ist offline

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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    @ducnici:
    Zu den Genos: Wie wäre es hiermit? OLG Stuttgart, 15.12.2015 - 6 U 185/15:
    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 12.2.2015 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
    Allerdings kapiere ich nicht, wieso im OLG-Beschluss weiter unten ein ganz anderes Datum des LG-Urteils genannt wird. Ist das ein Fehler?
    Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.06.2015, Geschäftsnummer 6 O 148/14, in der Weise zu ändern, dass die Klage abgewiesen wird.
    Aber "6. Zivilkammer" und "6 O..." passen schonmal zusammen.

    Es ging wohl gegen die Südwest Bank AG - siehe diese Kanzleiseite zur Verhandlung am LG Stuttgart (leider ohne Az., klingt aber stark danach, oder?)

    Siehe Meldung auf der o.g. Kanzleiseite:
    In einem von MPH Legal Services initiierten Rechtsstreit muss die darlehensgebende Bank € 17.500,00.- an die Darlehensnehmerin zahlen! Hierbei handelt es sich nicht etwa um die Rückzahlung zu Unrecht vereinnahmter Vorfälligkeitsentschädigung als vielmehr um die Nutzungsentschädigung auf bezahlte Zinsen (2,5 % über Basiszinssatz auf bezahlte Zinsen).

    Streitgegenstand war Darlehensvertrag aus dem Jahre 2005 über ca. € 500.000,00.-, der nach (kostenfreier) Ablösung im Jahre 2015 seitens des Darlehensnehmers nachträglich widerrufen wurde. Die Widerrufsbelehrung enthielt unzulässige Begriffsbestimmungen (Fristlauf: „…nicht taggleich mit dem Vertragsschluss...“ sowie fehlende Angaben zur Rückzahlungsfrist u.ä.).

    Der Vertrag wurde daraufhin vor dem LG Stuttgart mit Erfolg streitig gestellt und eines Nutzungsentschädigung in Höhe von € 17.500,00.- erzielt (2,5 % über Basiszinssatz auf bezahlte Zinsen).

    Das Ergebnis ist außergewöhnlich, zeigt es doch, dass selbst bereits abgelöste Darlehen nachträglich widerrufen werden können und die Nutzungsentschädigung auf bezahlte Zinsen geltend gemacht werden kann. Dies neben der Rückforderung einer etwaig bezahlten Vorfälligkeitsentschädgung, was vorliegend allerdings gar nicht virulent war.

    Und das OLG Stuttgart meinte bzgl. "taggleich":

    2.
    Das Landgericht hat zutreffend alle verwendeten Widerrufsbelehrungen für fehlerhaft gehalten, weil sie dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S.1 BGB a. F. nicht genügten.

    a)
    Bezüglich der Darlehensverträge vom 23.10.2006/2.11.2006 erhebt die Berufung keine Einwände gegen die Begründung des landgerichtlichen Urteils, auf diese kann daher verwiesen werden. Zutreffend ist das Landgericht dort davon ausgegangen, dass die Belehrung, wonach die Widerrufsfrist „frühestens“ mit dem Erhalt der Widerrufsbelehrung beginne, offen lässt, unter welchen gegenüber dem Erhalt der Belehrung zusätzlichen Bedingungen die Frist zu laufen beginnt. Zutreffend hat das Landgericht weiter angenommen, dass sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-lnfoV nicht berufen kann, weil sie den Text von Anlage 2 zu § 14 BGB-In- foV nicht unverändert verwendet, sondern durch eigene inhaltliche Bearbeitung in den Text eingegriffen hat, indem sie im Text der Belehrung alternativ zur Widerrufsfrist von zwei Wochen auf eine Widerrufsfrist von einem Monat hingewiesen hat, die gelte, wenn der Verbraucher „nicht taggleich mit dem Vertragsschluss“ belehrt worden sei.


  20. Avatar von ducnici
    ducnici ist offline

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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Danke Eughen,


    aber die am OLG S behandelte WRB beinhaltete "frühestens".


    Also abweichend von der mir zitierten WRB.

  21. Avatar von eugh
    eugh ist offline

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    Standard AW: Widerrufsjoker - Erfahrungen

    Und hier wieder eine Klageabweisung (LG und auch OLG). Schaut Euch einmal das Urteil des OLG Koblenz vom 14.10.2016 - 8 U 1038/15 - an. Offenbar führte eine Vereinbarung zur Fortführung des Darlehens dazu, dass der WR nicht mehr möglich war.

    1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 18. August 2015, Az. 6 O 48/15, wird zurückgewiesen.
    2. Die Klägerin und der Kläger haben die Kosten der Berufung zu je 50 % zu tragen.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und der Kläger können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.


    ...

    Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. August 2015 (Bl. 114 ff. GA), auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Feststellungsanträge seien jeweils zulässig, die Klage jedoch unbegründet. Durch die beiden Widerrufsschreiben sei der Vertrag nicht wirksam in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden, weil die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs verstrichen gewesen sei. Zwar sei die verwendete Belehrung hinsichtlich des Fristbeginns („frühestens“) nicht ordnungsgemäß. Die Beklagte könne sich aber auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen. Von der Musterbelehrung sei die Beklagte zwar an mehreren Stellen abgewichen, sie habe aber keine inhaltliche Bearbeitung vorgenommen. Die zusätzliche Aufnahme des Belehrungstextes für den finanzierten Erwerb eines Grundstücks sei unschädlich. Die Belehrung sei nicht erforderlich gewesen, da kein verbundenes Geschäft vorliege. Der Zusatz „mehrere Darlehensnehmer“ am Ende der Belehrung sei korrekt. Es sei daher unschädlich, dass dieser Zusatz nicht in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 2 und 3 BGB-InfoV enthalten sei.

    Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 24. August 2015 zugestellte Urteil, wenden sich die Kläger mit ihrer am 24. September 2015 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufung, mit der sie die Abänderung des angefochtenen Urteils begehren. Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts. Zur näheren Darstellung wird auf die Berufungsbegründung vom 26. Oktober 2015 (Bl. 158 ff. GA) und die Schriftsätze vom 25. Januar 2016 (Bl. 195 ff. GA), vom 01. Juli 2016 (Bl. 241 GA) sowie vom 02. September 2016 (Bl. 298 ff. GA) verwiesen.
    Frage: Was bedeutet "Verletzung materiellen Rechts"?

    Das OLG führt außerdem aus:
    ...
    Der im Schreiben vom 23. Oktober 2013 erklärte Widerruf war unwirksam, nachdem diesem Schreiben unstreitig lediglich eine von dem Kläger zu 2) unterzeichnete Vollmacht beigefügt war und die Beklagte den Widerruf unter Hinweis auf § 174 Satz 1 BGB und die ungeklärten Vertretungsverhältnisse in Bezug auf die Klägerin zu 1) unverzüglich im Sinne der genannten Vorschrift zurückgewiesen hat (vgl. dazu OLG Koblenz, 8 U 899/15, Urteil vom 29. Juli 2016).

    Gemäß § 351 Satz 1 BGB kann das Rücktrittsrecht nur von allen und gegen alle ausgeübt werden, wenn bei einem Vertrag auf der einen oder der anderen Seite mehrere Beteiligte sind. Durch die Verweisung in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F., wonach auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechend Anwendung finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, ist auch die für das gesetzliche Rücktrittsrecht geltende Regelung des § 351 BGB in Bezug genommen worden (so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 17 U 145/14 -; OLG Koblenz, Urteil vom 19. August 2016, - 8 U 1299/15 -; a. A. MüKo/BGB/Masuch, 5. Auflage 2007, § 355 Rn. 24 und MüKo/BGB/Ulmer, 4. Auflage 2003, § 357 Rn. 9). Die erforderliche wirksame Widerrufserklärung der Klägerin zu 1) als Mitdarlehensnehmerin ist mithin nicht abgegeben worden.

    Soweit der Kläger zu 2) vorträgt, der Widerruf sei selbstverständlich im Einverständnis mit der Ehefrau erfolgt, läge darin lediglich eine von der Ehefrau gegenüber dem Kläger abgegebene Erklärung. Eine solche reicht jedoch nicht aus, da die Widerrufserklärung von der Klägerin zu 1) gemäß § 351 Satz 1 BGB gegenüber der Beklagten abzugeben gewesen wäre.

    Auch die Voraussetzungen des § 1357 Abs. 1 BGB liegen in Anbetracht der Höhe der Darlehensvaluta nicht vor (vgl. dazu Palandt/Brudermüller, BGB, 75. Auflage 2016, § 1357 Rn. 11 und Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 492 Rn. 1).

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung, in der es am Ende heißt:

    Bei mehreren Darlehensnehmer [Grammatikfehler aus der Vorlage übernommen] kann jeder Widerrufsberechtigte seine Willenserklärung gesondert widerrufen“.

    Denn hierbei handelt es sich um eine Belehrung über eine nach der Auffassung der Beklagten gegebene Möglichkeit der Ausübung des Widerrufsrechts, aber nicht um eine vom Willen der Parteien getragene vertragliche Vereinbarung der Parteien, dass in Abweichung von § 351 BGB, der grundsätzlich abdingbar ist, der einzelne Darlehensnehmer isoliert und/oder mit Wirkung für beide widerrufen können soll.

    Insgesamt sind damit die auf den Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen der Darlehensnehmer nicht mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 wirksam widerrufen worden.

    2.
    Ein formell wirksamer Widerruf der auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen ist mit Schreiben des klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 10. April 2015 (Bl. 36 GA), das der Beklagten am 29. April 2015 zugegangen ist (EB auf Bl. 46 GA), erfolgt.
    ...
    Ich will hier nicht das ganze Urteil zitieren. Es kann jeder unter dem o.g. Link den Volltext selbst durchlesen. Aber nur so viel: Das OLG führt dann weiter aus, dass die WRB nicht dem Deutlichkeitsgebot genügte, dass die Berufung der Beklagten auf die Gesetzlichkeitsfiktion (Musterschutz) - entgegen der Auffassung des LG – verwehrt sei (beides durch eine ganze Reihe von verbraucherfreundlichen Entscheidungen des BGH untermauert) und dass die Beklagte der WRB einen Satz über die Widerrufsmöglichkeit bei mehreren DN angefügt habe, der in dem gesetzlichen Muster nicht enthalten sei.

    Leider hat das alles den Klägern nichts genützt:
    3.
    Der Widerruf entfaltet aber unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten keine materielle Wirkung.

    a) Zunächst haben die Kläger durch den Abschluss der Konditionenneuvereinbarung im Dezember 2013 eine ausdrückliche Vereinbarung mit der Beklagten dahingehend getroffen, dass das ursprüngliche Darlehen fortgesetzt werden soll. Diese Vereinbarung im Sinne der §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB schlossen die Kläger in Kenntnis ihres vermeintlichen Widerrufsrechts mit der Beklagten ab. Denn im Dezember 2013 hatten die anwaltlich beratenen Kläger bereits erstmals den Widerruf erklärt.

    Aus der Formulierung

    „Es gelten die Bestimmungen des bestehenden Darlehensvertrages mit etwaigen Änderungs-/Ergänzungsvereinbarungen, die Allgemeinen Darlehensbedingungen sowie die bereits bestehenden Sicherheiten/Sicherheitsverträge weiter. Unter Vereinbarung der Konditionen gemäß (…) sowie der weiteren vorstehenden Regelungen setzen Darlehensnehmer und die ...[A] AG das bestehende Darlehensverhältnis fort.“

    folgt unmittelbar, dass die Kläger den Vertrag als wirksam behandeln und erfüllen und am Bestehen des Vertrags – auch für die Vergangenheit – unter Abstandnahme von dem bereits erklärten Widerruf im Sinne einer Fortsetzung des Darlehens festhalten wollten.

    ...
    Was bedeutet es, wenn etwas "keine materielle Wirkung entfaltet"? Ist hier die o.g. Vereinbarung daran Schuld, dass ein WR nicht mehr fristgemäß war?

    Und dann wie oben geschrieben noch das:
    F.
    Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.


    Am Ende ist dies keine verbraucherfreundliche Entscheidung, aber ggf. sind die Ausführungen bzgl. des Deutlichkeitsgebots (dem die verwendete WRB in diesem Fall nicht genügte) trotzdem lesenswert (zum Volltext siehe Link oben). Und man sollte mit solchen Vereinbarungen sehr vorsichtig sein.


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