3.
Der Kläger hat zudem einen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 818 Abs. 1 BGB auf Herausgabe bzw. Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB) der gezogenen Nutzungen. Dies sind die aus den eingezahlten Versicherungsprämien erlangten wirtschaftlichen Vorteile, die der Senat hier gemäß § 287 Abs. 2 ZPO für den Zeitraum von Februar 1999 bis einschließlich Juli 2011 auf insgesamt 1.855 EUR schätzt.
a)
Nach der Lebenserfahrung ist zu vermuten, dass die Beklagte durch die rechtsgrundlos erlangten Beitragszahlungen wirtschaftliche Vorteile erlangt hat, die sie bei der Abrechnung nach Vertragskündigung nicht vollständig an den Kläger zurückgezahlt hat, da anderenfalls das Geschäftsmodell der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre. Soweit die Beklagte hierzu behauptet hat, sämtliche Beiträge seien abzüglich der Abschluss- und Verwaltungskosten und des Risikoanteils vollständig in den Investmentfonds eingezahlt worden, bedeutete dies angesichts der negativen Entwicklung des Investmentfonds, dass die Beklagte keine Gewinne erwirtschaftet hätte. Ihre Behauptung, das Geschäftsmodell beruhe auf der „Quantität der abgeschlossenen Verträge“, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht. Die Beklagte hat zudem nicht dargelegt, wie sie Überschüsse i.S.v. § 20 der Versicherungsbedingungen erzielt und verwendet hat, sofern sämtliche Beiträge ‑ mit Ausnahme des geringfügigen Risikoanteils ‑ ausschließlich in Fondsanteile und zur Deckung der Abschluss- und Verwaltungskosten verwendet worden sein sollen.
Hinzu kommt, dass die Verwendung der Versicherungsbeiträge bis zur Kündigung und Abrechnung des Versicherungsvertrags in 2008 nicht vollständig nachvollziehbar ist: Nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags war der Investmentfond A. International S. Aktienfond vereinbart. Es ist schon ‑ worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2014 hingewiesen hat ‑ nicht feststellbar, dass dieser überhaupt bis zur Kündigung des Versicherungsvertrags im Jahre 2008 bestand. Zudem hat die Beklagte in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 16.01.2015 die von ihr behauptete Fondsentwicklung nur bis zum 01.12.2007 dargestellt. Zu diesem Zeitpunkt soll sich das Fondsguthaben auf 2.940,29 EUR belaufen haben; diese Summe entspricht annähernd dem Betrag, den die Beklagte dem Kläger als Rückkaufswert ausgezahlt hat (2.899,16 €). Dass die Beklagte aus dem Beitrags‑/Fondsguthaben in der Zeit vom 01.12.2007 bis zur Abrechnung des Vertrags Ende 2008 gar keine weiteren Nutzungen gezogen hat, ist ebenso lebensfremd wie die Annahme, dass innerhalb eines Jahres keine Wertveränderung eingetreten ist.
Die Entwicklung des Fondsguthabens kann daher hier für die Bestimmung der ersatzfähigen Nutzungen nicht zugrunde gelegt werden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin keinerlei Nutzungen gezogen hat.
b)
Der Senat hat deshalb gemäß § 287 Abs. 2 ZPO bei der Ermittlung der ersatzfähigen Nutzungen für den Zeitraum von Dezember 1999 bis einschließlich Juli 2011 die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) veröffentlichten Jahreswerte der Nettoverzinsung der Kapitalanlagen für Lebensversicherungen im engeren Sinne zugrunde gelegt. Diese sind im Internet auf der Homepage des G. e.V unter www….de/Zahlen/Fakten/Lebensversicherung/Kapitalanlagen abrufbar und damit allgemeinkundig. Es handelt sich um die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen, bei der sämtliche Erträge und Aufwendungen auf Kapitalanlagen berücksichtigt werden. Einbezogen sind auch Erträge und Verluste aus dem Abgang von Kapitalanlagen sowie Abschreibungen auf Wertpapiere und Investmentanteile. Lebensversicherungen im engeren Sinne umfassen nach den im Internet mitgeteilten Angaben des G. e.V. reine Lebensversicherungen ohne Verträge aus dem Bereich von Pensionskassen und Pensionsfonds.
Soweit die Beklagte meint, die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen dürfe einer Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nicht zugrunde gelegt werden, hat sie keine anderen Zahlen dargelegt, die eine genauere Feststellung der gezogenen Nutzungen erlauben. Die Beklagte hat insbesondere keine Geschäftsberichte ihrer Rechtsvorgängerin vorgelegt, denen sich konkretere Daten für den hier relevanten Zeitraum entnehmen ließen. Die von der Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz vom 16.01.2015 vorgelegte Ablichtung einer Seite 26 aus einer nicht näher erläuterten Broschüre des G. e.V. betrifft nicht die Nettoverzinsung von Kapitalanlagen, sondern „Neue Kapitalanlagen im Gesamtjahr 2013“. Dass in dieser Darstellung „Neue Kapitalanlagen“ ausweislich der entsprechenden Fußnote keine Depotforderungen und Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Inhabern von Lebensversicherungspolicen umfassen, bedeutet nicht, dass die Jahreswerte der Nettoverzinsung aller Kapitalanlagen für Lebensversicherungen im engeren Sinne keine taugliche Schätzgrundlage sind. Maßgeblich ist dabei nicht der Gesamtbestand der „Neuen Kapitalanlagen“ im Jahr 2013, sondern die für Lebensversicherungen (ohne Pensionskassen und –fonds) in der Vergangenheit erzielten durchschnittlichen Nettoverzinsungen.
c)
Ausgehend von den Angaben des G. e.V. zur Nettoverzinsung der Kapitalanlagen von 1980 bis 2013 ergibt sich für den Zeitraum von Dezember 1999 bis einschließlich Juli 2011 ein Gesamtzinsbetrag von gerundet 1.855,00 EUR.
Bei der Ermittlung dieses Betrags hat der Senat in diesem Verfahren entsprechend seinem Hinweis im Termin vom 16.12.2014 den Durchschnittswert der Nettoverzinsung der Jahre 2000 bis 2011 zugrunde gelegt. Da die Angaben des G. e.V. die Nettoverzinsung für die Jahre vor 2000 in Fünf-Jahresschritten ausweisen, liegt der Schätzung für den Monat Dezember 1999 der Zinssatz für das Jahr 2000 zugrunde. Für den maßgeblichen Zeitraum ergibt sich damit ein Durchschnittswert von 4,92 %. Desweiteren berücksichtigt die Schätzung, dass der Kläger monatliche Beiträge in Höhe von 51,13 EUR von Dezember 1999 bis Februar 2008 gezahlt hat. Der Wert des Versicherungsschutzes für das Risiko Leben fällt dabei mit insgesamt 328,11 EUR für den gesamten Zeitraum nicht erheblich ins Gewicht und kann bei der Schätzung der entgangenen Nutzungen außer Betracht bleiben. Die Rückzahlung von 2.899,16 EUR im November 2008, die sich mindernd auf das ab diesem Zeitpunkt zu verzinsende Kapital auswirkt, hat der Senat ebenfalls berücksichtigt. Da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte die Teilzahlung von 2.899,16 EUR auf einen Bereicherungsanspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen erbracht hat, ist davon auszugehen, dass die Beklagte auf die Hauptforderung nach Abrechnung des Versicherungsvertrags gezahlt hat, so dass die Zinsansprüche nicht bereits teilweise erfüllt sind.
Insgesamt hat die Beklagte daher noch einen Betrag von 3.689,60 EUR an den Kläger zu zahlen.