Die von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte der Verwirkung und des (sonstigen) Rechtsmissbrauchs nach S 242 BGB stehen vorliegend der Ausübung des Widerrufsrechts bzw. Wirksamkeit des fristgerecht erklärten Widerrufs der Kläger nicht entgegen.
Das Widerrufsrecht ist nicht verwirkt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17.10.2014, 23 U 13/14 und vom 24.11.2014, 23 U 41/14; wie hier kürzlich: OLG Nürnberg, Beschuss vom 8.2.2016, 14 U 895/15; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.8.2015, 170 202/14; OLG Dresden, Urteil vom 1 1.6.2015, 8 U 1760/14; OLG Celle, Urteil vom 21.5.2015, 13 U 38/14; OLG Hamm ZIP 2015, 1113). Zwar können auch grundsätzlich unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht im Falle illoyaler Verspätung der Verwirkung unterliegen (Palandt Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, S 242 Rn 88, 107 jew. m.w.N.). Jedenfalls das für die Annahme der Verwirkung erforderliche Umstandsmoment ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Recht verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment); letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, und sich im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH NJW 2014, 2646; NJW 2014, 1230; NJW 2011, 212; jew. m.w.N.; Palandt-Grüneberg, S 242 Rn 87). Allein der Ablauf einer gewissen Zeit vermag das notwendige Umstandsmoment nicht zu begründen; dass der andere Teil „natürlich" nicht mehr mit der Ausübung des Rechts rechnete, führt allein nicht zur Verwirkung (vgl. BGH NJW 2014, 1230 m.w.N.). Vorliegend ist nichts dazu vorgetragen, dass die Beklagte sich in irgendeiner Weise auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts eingerichtet oder im Hinblick auf das Vertrauen in die Nichtausübung des Widerrufsrechts gar irgendwelche Dispositionen getroffen hätte, so dass ihr nun ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BGH NJW-RR 2011, 403). Die Annahme eines unzumutbaren Nachteils erscheint in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der verbraucherkreditrechtliche Widerruf zu einer an sich wertneutralen Rückabwicklung führt, auch eher fernliegend. Soweit in diesem Kontext die Kreditinstitute auf die von ihnen zur Refinanzierung eingegangenen Verpflichtungen verweisen, ist festzustellen, dass hierin keine Disposition zu sehen ist, die gerade im Hinblick auf das (jahrelange) Ausbleiben der Ausübung eines (fortbestehenden) Widerrufsrechts getroffen worden wäre; sie war vielmehr (unmittelbare) Folge des Vertragsschlusses selbst. Gegen die Annahme, die Beklagte habe sich wegen des erheblichen Zeitablaufs darauf eingerichtet, dass ein Widerrufsrecht ungeachtet seines Bestehens nicht mehr geltend werden würde, spricht im Übrigen auch, dass die Beklagte bis heute das Fortbestehen eines Widerrufsrechts in Abrede stellt. Vor diesem Hintergrund erklärt sich nicht, wie sich die Beklagte zugleich auf die Nichtausübung eines fortbestehenden Widerrufsrecht eingestellt haben sollte. Insofern besteht auch kein wesentlicher Unterschied zwischen den Fällen einer fehlenden und denen einer unwirksamen Belehrung. Es spielt für das Vertrauen des anderen Teils keine Rolle, ob der Verbraucher von einem Widerrufsrecht gar nichts weiß und es deswegen nicht ausübt oder ob er nur irrtümlich meint, er könne das Recht wegen Fristablaufs nicht mehr ausüben. In beiden Fällen besteht das Recht unerkannt fort. Der Unterschied besteht allenfalls darin, dass im Falle einer (zunächst unerkannt) fehlerhaften Belehrung auch die andere Seite davon ausgehen wird, es bestehe kein Widerrufsrecht mehr. Wenn aber beide Seiten von dem Recht nichts wissen, liegt es fern, von einem Vertrauenstatbestand auszugehen. Da es auf das Vertrauen des anderen Teils ankommt, fehlt es an dem für die Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand, wenn der andere Teil davon ausgehen muss, dass der Berechtigte keine Kenntnisvon seinem Recht hat (BGH NJW 2000, 140; vgl. auch LG Dortmund, Urteil vom 20.12.2013, 3 0 35/13).
Es geht auch nicht an, die Feststellung der Unrichtigkeit der Widerrufsbelehrung dadurch aufzuheben, dass man den fehlerhaft Belehrenden über S 242 BGB wegen der angeblichen Schwierigkeit der Rechtslage vor deren Folgen schützt; ebenso wenig darf auf diesem Wege ein nach der BGH-Rechtsprechung (BGH NJW 2009, 3020) gerade nicht bestehendes Kausalitätskriterium auf Umwegen doch eingeführt werden. Tatsächlich fehlt es der Beklagten vielmehr an der Schutzbedürftigkeit, nachdem sie selbst die Situation durch Erteilung einer objektiv falschen Widerrufsbelehrung herbeigeführt hat (vgl. BGH NJW 2014, 2646).
Ebenso wenig kann etwa eingewendet werden, dass die Mängel der Belehrung die Kläger nicht von der Ausübung des Widerrüfsrechts in zeitlicher Nähe zum Vertragsschluss hätten abhalten können, denn auch insoweit würde „durch die Hintertür" ein Kausalitätskriterium eingeführt, dem der BGH schon lange eine Absage erteilt hat (vgl. BGH NJW 2009, 3020). Tatsächlich gibt es keine Widerrufsbelehrung „zweiter Klasse", die zwar nicht ordnungsgemäß ist, aber den Verbraucher trotzdem zur baldigen Ausübung seines Widerrufsrechts anhalten könnte. Damit wäre die Sanktion des S 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. letztlich auf die Fälle aktiv irreführender oder gänzlich fehlender Belehrungen beschränkt, was evident nicht der Rechtsprechung des BGH entspricht.
Es besteht demgemäß auch kein neben dem Verwirkungseinwand (als Spezialfall der unzulässigen Rechtsausübung) zu berücksichtigender allgemeiner Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen widersprüchlichen Verhaltens. Ein solches widersprüchliches Verhalten der Kläger ist hier schon nicht festzustellen; dass ein Berechtigter bis zur Ausübung eines ihm eingeräumten Gestaltungsrechts den bestehenden Vertrag anerkennt, also sich vor der Widerrufserklärung während der Vertragslaufzeit an seine darlehensvertraglichen Verpflichtungen gehalten und auch darlehensvertragliche Rechte wahrgenommen hat, steht der Geltendmachung von Rechten nach der Ausübung offenkundig nicht grundsätzlich entgegen. Dies gilt umso mehr, wenn man annimmt, dass die Belehrung ungeachtet der Mängel einen Verbraucher über ein zweiwöchiges Widerrufsrecht belehrt. Denn dann kann aus dem Umstand, dass der Verbraucher seinen vertraglichen
Verpflichtungen in der Folgezeit — z.B. im Glauben an eine Verfristung des Widerrufsrechts nachgekommen „ist und keine Anstalten gemacht hat, sich vom Vertrag zu lösen, logischerweise auch kein Schluss auf ein unredliches Verhalten gezogen werden.
Hinzu kommt der besonders erhebliche Umstand, dass der Verbraucher das Widerrufsrecht ohne besondere Begründung ausüben kann, vgl. S 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.; eine wie auch immer geartete „Gesinnungsprüfung" findet nicht statt — und zwar weder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist noch danach. Insofern ist es ohne weiteres legitim, das Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen geltend zu machen. Genauso wenig wie bei ordnungsgemäßer Belehrung ein am letzten Tag der Widerrufsfrist nicht wegen Übereilung, sondern allein wegen gesunkener Zinsen erklärter Widerruf rechtsmissbräuchlich wäre, ist es ein späterer Widerruf, der nur wegen unzureichender Belehrung noch fristgemäß ist. Soweit die angebliche Schutzzweckwidrigkeit des Widerrufs argumentativ herangezogen wird, ist dies grundlegend verfehlt und stellt letztlich einen Zirkelschluss dar (vgl. Senat, Beschluss vom 27.2.2016, 23 U 135/15). Wenn nur Widerrufe zulässig wären, deren Zweck in dem Berufen auf den gesetzgeberisch beabsichtigten zweiwöchigen Übereilungsschutz besteht, wäre die Nichterteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung immer folgenlos, weil ein außerhalb der vom Gesetzgeber vorgesehenen Frist erklärter Widerruf ungeachtet der Frage, ob die Frist im konkreten Fall auch wirksam in Lauf gesetzt worden ist, zwangsläufig nicht mehr aus den gesetzgeberischen Zwecken erklärt wäre. Tatsächlich setzt die Begrenzung des Übereilungsschutzes auf den gesetzlich vorgesehenen kurzen Zeitraum aber gerade eine ordnungsgemäße Belehrung über die Frist voraus (siehe Senat a.a.O.). Die Beklagte kann ohnehin keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, die Kläger ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht zu belehren (vgl. BGH NJW 2014, 2646). Es ist und bleibt nach alledem im Grundsatz ohne weiteres legitim, in laufender Frist das Verbraucherwiderrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus geltend zu machen. Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung dadurch bestätigt, dass schließlich auch der BGH aktuell für eine vergleichbare Fragestellung die Annahme von Verwirkung oder Rechtsmissbrauch bei der Ausübung des Widerrufsrechts ohne Rücksicht auf Beweggründe des Verbrauchers ebenfalls explizit abgelehnt hat (BGH vom 16.3.2016, VIII ZR 146/15 - bei juris): „Nach Auffassung des BGH (a.a.O.) steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu, da er den Kaufvenrag wirksam widerrufen hat. Dem stehe nicht entgegen, dass es dem Kläger darum ging, einen günstigeren Preis für die Matratzen zu erzielen. Für die Wirksamkeit des Widerrufs eines im Internet geschlossenen Kaufvettrags genüge allein, dass der Widerruf fristgerecht erklält wird. Die Vorschriften über den Widerruf sollten dem Verbraucher ein effektives und einfach zu handhabendes Recht zur Lösung vom Vertrag geben. Einer Begründung des Widerrufs bedürfe es nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht. Deshalb sei es grundsätzlich ohne Belang, aus welchen Gründen der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch mache.
Ein Ausschluss dieses von keinen weiteren Voraussetzungen abhängenden Widerrufsrechts wegen eines rechtsmissbräuch/ichen Verhaltens des Verbrauchers komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist. Das könne beispielsweise der Fall sein, wenn ein Verbraucher arglistig handelt, etwa indem er eine Schädigung des Verkäufers beabsichtigt oder schikanös handelt. Damit sei der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Dass der Kläger Preise verglichen und der Beklagten angeboten habe, den Vertrag bei Zahlung der Preisdifferenz nicht zu widerrufen, stelle kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Das sei vielmehr Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewählten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation, die der Verbraucher zu seinem Vorteil nutzen dürfe."
Wenn ein Kreditinstitut argumentiert, es habe im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages und das Verhalten des Darlehensnehmers von einer Nachbelehrung abgesehen, so führt dies ebenfalls nicht weiter (vgl. Senat, Beschluss vom 27.2.2016, 23 U 135/15). Denn wenn der Fehler der Belehrung im Hause des Kreditinstituts erkannt worden sein sollte, bestand — ohne ordnungsgemäße, die Frist in Lauf setzende Belehrung gerade kein Vertrauenstatbestand, der ein Unterlassen der Nachbelehrung gerechtfertigt und verursacht hätte. Vollends widersprüchlich würde es, wenn das Kreditinstitut weiter ausführte, dass das Erfordernis der Erteilung einer Nachbelehrung gar nicht erkennbar gewesen sei sowie dass es zu keinem Zeitpunkt eine bewusste Entscheidung getroffen hätte, von einer Nachbelehrung des Darlehensnehmers abzusehen. Denn wenn es sich tatsächlich so verhalten hätte, käme ein Unterlassen des Kreditinstituts „im Vertrauen" nicht in Betracht, weil dies doch gerade ein Bewusstsein von der Rechtslage, vorliegend also von der an sich gegebenen Handlungsnotwendigkeit voraussetzt. Anders ausgedrückt: Dass das Kreditinstitut die Fehlerhaftigkeit der eigenen Belehrung gar nicht erkannt, über die Möglichkeit einer fristauslösenden Nachbelehrung gar nicht nachgedacht und/oder hierzu auch keine Entscheidung getroffen hat, ist nicht kausal auf das angeblich den Vertrauenstatbestand schaffende, den Vertrag bejahende Verhalten des Darlehensnehmers zurückzuführen (siehe Senat a.a.O.).