Zitat von
ducnici
Heute in der NJW ein Aufsatz zum Thema WRB erschienen... von Bankenfreundlichen Professor Dr. Sebastian Omlor, der ja schon vor Einführung des neuen Gesetzes mit Beendigung des "ewigen Widerrufrechtes" beim Bundestag vortragen durfte. Auszugsweise gebe ich den Inhalt dar: ...
Prof. Dr. Omlor hat in seiner
vom 12.02.2016, S. 12 ff.:, Folgendes geschrieben
„b) Verfassungsrechtliche Grenzen
Der Vorschlag für ein generelles Erlöschen der Widerrufsrechte zu einem festen Zeitpunkt unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot. Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und dem daraus folgenden Gedanken der Rechtssicherheit das grundsätzliche Verbot von Gesetzen mit einer echten Rückwirkung ab.26 Demgegenüber stuft die Verfassungsjudikatur eineunechte Rückwirkung als grundsätzlich zulässig ein.27 Zur Abgrenzung und Rechtfertigung heißt es zusammenfassend in BVerfGE 127, 1, 16 f.:
„b) Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Das ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. [...]
c) Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor (vgl. BVerfGE 63, 343 [356]; 72, 200 [242]; 97, 67 [79]; 105, 17 [37 f.]). Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 [357]; 105, 17 [40]; 114, 258 [301]). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 [331]; 67, 1 [15]; 71, 255 [272]; 76, 256 [349 f.]). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 [83]; 68, 193 [222]; 105, 17 [40]; 109, 133 [180 f.]; 125, 104 [135]).
Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 [404]; 50, 386 [395]; 67, 1 [15]; 75, 246 [280]; 105, 17 [37]; 114, 258 [300]). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein (vgl. BVerfGE 72, 200 [242 f.]; 95, 64 [86]; 101, 239 [263]; 116, 96 [132]; 122, 374 [394]; 123, 186 [257]). Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.“
Nach diesen Grundsätzen lässt sich die geplante Regelung als Fall der unechten Rückwirkung einordnen.28 Das Widerrufsrecht wird lediglich mit Wirkung für die Zukunft, d.h. für den Zeitraum nach Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zur WohnimmobilienkreditRL, aufgehoben. Sein Bestehen in der Vergangenheit bleibt unangetastet. Demnach unterliegt sie einer Verhältnismäßigkeitskontrolle, in welche die erheblichen Unsicherheiten und Verwerfungen infolge der objektiv fehlerhaften Widerrufsbelehrungen einzubeziehen sind. Da die benachteiligten Darlehensnehmer zwischen 6 und 14 Jahre Zeit für einen Widerruf hatten, erweist sich die Beendigung des Widerrufsrechts pro futuro als nicht unzumutbar.
Selbst bei einer Einordnung als echte Rückwirkung hielte die geplante Neuregelung einer Kontrolle an Art. 20 Abs. 3 GG stand. Es ist anerkannt, dass eine solche zur Bereinigung einer unklaren oder verworrenen Rechtslage zulässig ist.29 Eine solche lag bei den Widerrufsbelehrungen im betroffenen Zeitraum September 2002 bis Juni 2010 vor, da die Musterwiderrufsbelehrung nur im Rang einer Rechtsverordnung erlassen worden war und in der Folge verschiedene Instanzgerichte30 deren Verwendung als materiell unzureichend einordneten. Erst die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 15. August 2012 (BGHZ 194, 238) brachte insofern Rechtssicherheit für die Betroffenen.
Zwischenergebnis: Die Erlöschensregel für ansonsten „ewige“ Widerrufsrechte verletzt als Fall der unechten Rückwirkung nicht den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz.
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26 BVerfGE 13, 261, 261; BVerfGE 97, 67, 78; BVerfGE 127, 1, 16 f.
27 BVerfGE 25, 142, 154; BVerfGE 97, 67, 79; BVerfGE 101, 239, 263; BVerfGE 103, 392, 403.
28 Ebenso der Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 27. Januar 2016,
Ausschussdrucksache 18(6)187, S. 11.
29 BVerfGE 13, 261, 272; BVerfGE 30, 367, 388 f.; BVerfGE 45, 142, 173 f.; BVerfGE 72, 200, 259;
BVerfGE 88, 384, 404; BVerfGE 98, 17, 39.
30 OLG Schleswig OLGR 2007, 929, 931; OLG Jena, Urt. v. 28. September 2010 – 5 U 57/10."
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Ich (claus47) vermute allerdings, dass das „Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie“ in Bezug auf das Erlöschen des „ewigen Widerrufsrechts“ verfassungswidrig ist. Denn es gibt jedenfalls seit Anfang 2016 keine „unklare oder verworrene Rechtslage“, die man jetzt noch durch eine de facto rückwirkende Gesetzesänderung bereinigen müsste.
Es gab schon seit Jahren keine unklare oder verworrene Rechtslage: Der BGH hatte längst deutliche Worte gegen die Masse der WRBL und für den Fortbestand des „ewigen Widerrufsrechts“ gesprochen. Dass es OLG’s mit unterschiedlichen Ansichten gab und - weniger werdend - noch gibt, ändert daran mE nichts, sondern ist Folge unseres Rechtssystems. Dafür aber ist ja gerade die vereinheitlichende Rechtsprechung des BGH vorgesehen. Die war und ist nicht „unklar oder verworren“, sondern klar und gradlinig. Dass es den Darlehensgebern gelegentlich gelungen ist, eine weitere Entscheidung des BGH zu torpedieren, hat das deutliche Bild nicht verhindern können, dass er gezeichnet hat.
Ich erwarte, dass dieses Thema spätestens ab 21.06.2016 hochkommen wird.
Wer hat schon jetzt Ideen zur Verfassungswidrigkeit der Gesetzesänderung?
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