Das Gesetz knüpft den Beginn des Fristlaufs allein an die Erteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung und unterscheidet nicht danach, ob die Unrichtigkeit der Belehrung gerade in einem Belehrungsteil auftritt, der sich als der nach der konkreten Vertragsabschlusssituation maßgebliche erweist. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten verkennt,
dass es auf die Kausalität eines Belehrungsmangels für die Nichtausübung des Widerrufsrechts generell nicht ankommt, vielmehr unabhängig hiervon nur eine allen Anforderungen des Gesetzes genügende Widerrufsbelehrung den Lauf der Widerrufsfrist in Gang setzt (BGH, Urteil vom 23.6.2009 -
XI ZR 156/08 -, Rn. 25, juris;
überholt daher OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.6.2009 - 9 U 111/08 -, juris); auch eine in nach den Umständen des Falles nicht erheblich gewordenen Teilen unrichtige Belehrung genügt nicht dem Deutlichkeitsgebot des §
355 Abs. 2 S. 1 BGB.
Für dieses Verständnis spricht auch die generalpräventive Wirkung dieser Rechtsfolge sowie der verbraucherschützende Charakter des Widerrufsrechts. Mit diesem wäre das für den Verbraucher entstehende Prozessrisiko nicht vereinbar, das entstehen würde, wenn eine objektiv unrichtige, dem Deutlichkeitsgebot widersprechende Belehrung im Einzelfall doch geeignet wäre, die Widerrufsfrist in Lauf zu setzen, wenn nämlich dem Unternehmer der Nachweis mangelnder konkreter Relevant des Belehrungsmangels gelänge (Senat, Urt. v. 29.05.2015,
6 U 110/14).
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Die Ausübung des danach noch bestehenden Widerrufsrechts durch die Kläger ist nicht rechtsmissbräuchlich; die Kläger haben ihr Widerrufsrecht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.
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Soweit die Beklagte vorträgt, die Kläger hätten jedenfalls mit Schreiben vom 24.01.2014 (K 5) zum Ausdruck gebracht, dass ihnen ihr Widerrufsrecht bekannt sei, führt die Tatsache, dass sie ihr Widerrufsrecht letztlich erst infolge anwaltlicher Beratung am 20.06.2014 ausgeübt haben, zu keinem anderen Ergebnis.
Eine fünfmonatige Überlegungszeit, in der sich die Kläger zunächst eine eigene Meinung bilden und entsprechenden Rechtsrat einholen mussten, stellt keinen derart langen Zeitraum dar, dass die Beklagte entsprechendes Vertrauen hätte bilden dürfen.
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Der Umstand, dass dem Berechtigten der ihm zustehende Anspruch unbekannt war, steht der Verwirkung jedenfalls dann entgegen, wenn die Unkenntnis des Berechtigten in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fällt. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen (BGH, Urteil vom 18.10.2004 -
II ZR 352/02). Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Unternehmer regelmäßig schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er den mit dem unbefristeten Widerrufsrecht verbundenen Schwebezustand selbst herbeigeführt hat, indem er eine fehlerhafte Belehrung erteilt hat (BGH, Urteil vom 7.5.2014 -
IV ZR 76/11 -, Rn. 30, juris). Der Unternehmer, der gegen seine Pflicht verstoßen hat, dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen, darf nicht darauf vertrauen, er habe durch seine Belehrung die Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Er muss erkennen, dass dem Verbraucher nach dem Gesetz ein zeitlich nicht befristetes Widerrufsrecht zusteht, und darf folglich allein aus dem Umstand, dass der Darlehensvertrag über lange Zeit erfüllt wird, nicht schließen, der Verbraucher werde sein Widerrufsrecht nicht ausüben. Ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte ist vielmehr zu unterstellen, dass der Verbraucher zunächst keine Kenntnis von seinem unbefristeten Widerrufsrecht hat, so dass der Widerruf auch noch nach langer Zeit erfolgen kann, sollte der Verbraucher später von der Rechtslage Kenntnis erlangen. Gegen die Schutzwürdigkeit des Unternehmers spricht zudem, dass er den Schwebezustand durch eine Nachbelehrung beenden kann. Der Ablauf der für den Darlehensgeber geltenden gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für Unterlagen aus der Geschäftsbeziehung zum Darlehensnehmer ändert an der fehlenden Schutzwürdigkeit des Darlehensgebers nichts (ebenso schon Senat, Urteil vom 21.4.2015 -
6 U 148/12 sowie Urteil vom 29.05.2015,
6 U 110/14).