LG Bad Kreuznach, Urt.v. 06.01.2016 - 3 O 214/15
(…)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet. Der seitens des Klägers erklärte Widerruf erfolgte nicht wirksam und vermochte daher dem [den] geschlossenen Darlehensvertrag nicht zur Auflösung zu bringen.
1.
Gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrages bestehen zunächst keine Bedenken. Insbesondere besteht das erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Auch der Umstand, dass in Höhe des getätigten Darlehensanteils eine Bezifferung möglich wäre, erfordert nicht die Geltendmachung einer diesbezüglichen Leistungsklage. Es kann daher dahinstehen. ob dem Kläger eine Bezifferung nur mit einem verhältnismäßig hohen Aufwand möglich wäre, da jedenfalls anerkannt ist, dass auch in Fällen, in denen teilweise eine Leistungsklage erhoben werden könnte, eine gleichwohl erhobene Feststellungsklage insgesamt zulässig ist.
2.
Der Kläger hat jedoch sein ihm zustehendes gesetzliches Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß ausgeübt, da er den Widerruf nicht innerhalb der Frist abgesendet hat.
Nach § 355 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 BGB in der vom 8.12.2004 bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung ist bei Verbraucherverträgen der Widerruf innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Widerrufsbelehrung gegenüber dem Unternehmer zu erklären, wobei zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung genügt. Diese Frist hat der Kläger vorliegend deutlich überschritten, da er erst im März 2015 den Widerruf erklärte.
Er kann sich auch nicht auf § 355 Abs. 3 S. 2 BGB a.F. berufen, wonach das Widerrufsrecht nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Die vorliegend erfolgte Widerrufsbelehrung durch die beklagte war nämlich entgegen der Auffassung des Klägers ordnungsgemäß. Ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht lag damit vorliegend nicht vor.
2.2.
Soweit zwar gegen die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung spricht, dass es an einer korrekten Belehrung über den Fristbeginn fehlt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 28.06.2011, Az. XI ZR 349/10; Urt. v. 15.08.2012, Az. XI ZR 349/10 [VIII ZR 378/11], zit. nach juris), so kann sich die Beklagte letztlich auf die Schutzwirkung des damals geltenden § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen.
Danach gilt die erteilte Belehrung als ordnungsgemäß, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Mittlerweile ist durch den BGH auch geklärt, dass diese Gesetzlichkeitsfiktion von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 245 Nr. 1 EGBGB a.F. gedeckt ist (BGH, Urt. v. 15.08.2012, Az. VIII ZR 378/11, zit. nach juris). Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht an.
Dementsprechend kann sich die Beklagte als Verwenderin einer Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen, da sie das in Anlage 2 hierzu enthaltene Muster für die Widerrufsbelehrung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung angewendet hat. Unstreitig entspricht zunächst die äußere Gestaltung der durch die Beklagte verwendeten Widerrufsbelehrung derjenigen, der Musterwiderrufsbelehrung. Im Ergebnis ohne Einfluss ist, dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten von dem amtlichen Muster des Jahres 2007 abgewichen ist bzw. unerhebliche Textpassagen eingefügt worden sind. Entscheidend ist nämlich, dass hierbei nicht der vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung von der Beklagten einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen wurde.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt bei der Frage, ob eine eigene inhaltliche Bearbeitung des Mustertextes vorliegt, keine ausnahmslose und hundertprozentige deckungsgleiche Identität, vielmehr ist entscheidend, dass die Widerrufsbelehrung keine anderen Belehrungen enthalten darf, der ein(m eigenen Inhalt aufweisen (OLG Bamberg, Beschluss vom 1.6.2015, Az. 6 U 13/15, zitiert nach juris) Diesem Grundsatz hält die Widerrufsbelehrung der Beklagten stand.
Im Einzelnen gilt:
2.2.1.
Soweit in der Widerrufsbelehrung die Überschrift „Widerrufsbelehrung“ ergänzt wurde um den konkret zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag, so liegt hierin keine inhaltliche Bearbeitung, sondern dient lediglich der Zuordnung der Widerrufsbelehrung zu einem konkreten Rechtsgeschäft. Dieses ist hier auch eindeutig bestimmt worden, nämlich durch die Angabe des Datums 25.04.2007, das auch auf dem Darlehensvertrag zu finden ist. Dem unbefangenen durchschnittlichen Kunden wird im Zusammenhang damit, dass sich auf der die Widerrufsbelehrung enthaltenden Seite auch Name und Adresse des Verwenders und des Darlehensnehmers sowie die Darlehenskontonummern finden, klargemacht, dass ihm die Widerrufsbelehrung zu dem genau bezeichneten Rechtsgeschäft erteilt wird (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 31.5.2015, Az. 17 U 709/15, zitiert nach juris). Verwirrung beim Verbraucher oder ein Verlust an Deutlichkeit der Widerrufsbelehrung vermag dieser Zusatz nicht auszulösen.
2.2.2.
Das Verneinen einer inhaltlichen Bearbeitung gilt auch für den unter der Überschrift „Widerrufsrecht“ kursiv und in Klammern gesetzten Gestaltungshinweis 3. Bei der Übernahme des Textes aus dem Gestaltungshinweis handelt es sich nämlich ebenfalls nicht um eine inhaltliche Änderung der Widerrufsbelehrung, da dieser wörtlich dem Verordnungstext im Gestaltungshinweis 3 entspricht. Dass diese Angaben in der Widerrufsbelehrung nicht enthalten sein dürfen, ist nicht ersichtlich, zumal hierdurch keine Verwirrung des Verbrauchers entsteht bzw. die Deutlichkeit der Widerrufsbelehrung beeinträchtigt [
wird]. Dies macht auch die grafische Ausgestaltung (kursiv und in Klammern) deutlich. Es ist daher für einen unbefangenen rechtsunkundigen Leser ohne weiteres erkennbar, dass sich dieser Teil des Textes nicht an ihn richtet (vgl. zum Ganzen OLG Bamberg, Beschluss vom 1.6.2015, Az. 6 U 13/15, zitiert nach juris).
2.2.3.
Soweit der Kläger rügt, dass abweichend vom gesetzlichen Muster die Person des Verbrauchers definiert worden sei, so ist eine solche Definition in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung nicht zu finden.
2.2.4.
Weiter steht nach der Überzeugung des Gerichts der Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-lnfoV a.F. auch nicht die von der Beklagten verwendeten Fußnoten, eine davon in der Überschrift und die andere bei der Angabe der Dauer der Widerrufsfrist, entgegen.
Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass sich mit dieser Frage eine umfangreiche neuere obergerichtliche Rechtsprechung beschäftigt hat, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Die überzeugenderen Argumente sprechen hingegen dafür, auch hierin keine unzulässige inhaltliche Bearbeitung zu erkennen.
Soweit verschiedene Oberlandesgerichte in der Aufnahme der Fußnote "Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ in den Text der Widerrufsbelehrung eine den Verbraucher verwirrende Unklarheit erkennen, da dieser nicht zweifelsfrei erkennen könne, dass sich der Hinweis in der Fußnote an den Kreditsachbearbeiter der Beklagten und nicht an ihn selbst richte (so etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.7.2015, 1-14 U 27/15; OLG Nürnberg, Urteil vom 11. November 2015,14 U 2439/14, beide zitiert nach juris), kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ist das Gegenteil anzunehmen:
Dies wird zunächst bereits optisch dadurch deutlich, dass sich die Fußnote noch unter dem durch einen Rahmen eingegrenzten Text der Widerrufsbelehrung befindet, d.h. insbesondere auch unter dem Feld für die zu leistende Unterschrift des Verbrauchers. Die Widerrufsbelehrung endet erkennbar mit "Ihre Sparkasse Rhein-Nahe". Hiernach erfolgt - auch außerhalb des Rahmens - zunächst der Hinweis, dass jeder Verbraucher ein Exemplar der Widerrufsbelehrung erhält. Bereits hieran ist zu sehen, dass sich der Text unterhalb der Rahmenlinie nicht mehr an den Verbraucher richten kann. Noch deutlicher wird dies durch die Gesamtschau mit dem Text der Fußnote Nr. 1: "Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z.B. Darlehensvertrag vom ... ", die sich ebenfalls erkennbar nicht an den Verbraucher richten kann, was noch dadurch unterstützt wird, dass der vorliegend konkret bezeichnete Darlehensvertrag nach der Fußnote 1 deutlich wahrnehmbar separat in die Widerrufsbelehrung eingefügt wurde. Dagegen spricht im Ergebnis auch nicht das an sich zutreffende Argument des OLG Nürnberg, wonach es sich bei einer Fußnote um eine "durch eine hochgestellte Ziffer o.Ä. auf eine Textstelle bezogene Anmerkungen am unteren Rand einer Seite" handele (OLG Nürnberg a.a.O ., Rz. 31 ). Auch wenn dies grundsätzlich den Inhalt einer Fußnote zum Textbestandteil werden lässt, so muss hier aufgrund der sowohl durch die grafische Gestaltung als auch den Sinnzusammenhang erreichten deutlichen Abgrenzung des Fußnotentextes vom eigentlichen Text der Widerrufsbelehrung etwas anderes gelten. Abweichend zu beurteilen wäre die Frage möglicherweise dann, wenn die Fußnotentexte sich noch vor dem Unterschriftsfeld finden würden, was jedoch vorliegend nicht der Fall ist. Im Ergebnis stellen sich daher beide Fußnoten, d.h. sowohl der Ausfüllhinweis, um welches Geschäft es sich handeln soll, als auch die Aufforderung, die Frist im Einzelfall prüfen, um unzweifelhaft als an den Darlehenssachbearbeiter gerichtete Ausfüllhinweise da (wie hier auch OLG Bamberg, Beschluss vom 1.6.2015, 6 U 13/15; i.E. für Fußnote 1 auch OLG München, Beschluss vom 21 . Mai 2016, 17 U 709/15; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 26.02.2015, alle zitiert nach juris; vgl. ferner LG Hagen, Urt. v, 30.10.2014, AL 9 0 73/14, zit. nach juris; so auch LG Berlin GWR 2013, 232). Sich [Sie] stehen daher der gebotenen Deutlichkeit und Klarheit der Widerrufsbelehrung nicht entgegen.
2.2.5.
Soweit der Kläger die Abweichung von Teilen des Passus über „Finanzierte Geschäfte“ rügt, lässt auch dies die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV nicht entfallen. Aus der Widerrufsbelehrung ersichtlich ist, dass die Beklagte vorliegend den Passus unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“ zunächst dergestalt verändert hat, dass sie Satz 2 der Musterwiderrufsbelehrung nicht durch den Ersetzungssatz für finanzierte Grundstücksgeschäfte ersetzt hat, sondern zusätzlich als Satz 3 in den Belehrungstext aufgenommen hat.
Unstreitig lag vorliegend kein „Finanziertes Geschäft“ vor, so dass die diesbezügliche Belehrung nach Gestaltungshinweis 9 auch hätte weggelassen werden können.
2.2.5.1.
Unschädlich ist zunächst, dass gleichwohl überhaupt Hinweise für finanzierte Geschäfte in die Belehrung aufgenommen [oder in der geschilderten] Weise darin belassen wurden. Wie sich aus dem Gestaltungshinweis 9 der Musterverordnung ergibt, wonach die Hinweise entfallen „können“, wird eine obligatorische Entfernung gerade nicht gefordert (so etwa Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 26.02.2015, 5 U 175/14, zitiert nach juris). Darin liegt auch keine inhaltliche Abweichung zum Muster der BGB-InfoV (OLG Bamberg, a.a.O. mwN). Dies gilt auch für den vom Kläger als neben der Sache liegend gerügten dritten Abschnitt des Passus über finanzierte Geschäfte.
2.2.5.2.
Auch in dem Umstand, dass Satz 2 der Musterwiderrufsbelehrung nicht durch den Ersetzungssatz für finanzierte Grundstücksgeschäfte ersetzt wurde, sondern lediglich als Satz 3 in den Belehrungstext aufgenommen wurde, liegt keine unzulässige inhaltliche Bearbeitung im Sinne der BGH-Rechtsprechung.
Die Frage, ob in der fehlenden Ersetzung von Satz 2 der Musterwiderrufsbelehrung durch den Ersetzungssatz für finanzierte Grundstücksgeschäfte eine inhaltliche Bearbeitung liegt, kann vorliegend dahinstehen. Die von der Beklagten vorgenommene Änderung gegenüber der Musterwiderrufsbelehrung betrifft den Abschnitt „Finanzierte Geschäfte“. Ein solches lag jedoch unstreitig nicht vor. Die dahingehende Widerrufsbelehrung ist daher gegenstandslos und geht ins Leere, entfaltet mithin keinerlei Wirkungen und ist schlicht überflüssig, so dass diese Passage für eine ordnungsgemäße Information des Verbrauchers über dessen Widerrufsrecht ohne Belang ist (OLG Frankfurt BeckRS 2014, 16740; OLG Bamberg a.a.O.). Der entgegenstehenden Ansicht des OLG Stuttgart (Urteil vom 29.9.2015, 6 U 21/15, zitiert nach juris), wonach auch in diesem Fall die Belehrung dem Muster entsprechen muss, um dem Verwender die Schutzwirkung zu erhalten, kann daher nicht gefolgt werden.
2.2.5.3.
Die nämlichen Ausführungen gelten ebenfalls für den Umstand, dass die Beklagte sprachliche Veränderungen, insbesondere des Personalpronomens „wir“ statt „Ihr Vertragspartner“, vorgenommen hat.
2.2.6.
Aus den dargelegten Gründen kann sich die Beklagte daher auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen mit der Folge, dass die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs durch die [den] Kläger abgelaufen war und der Widerruf keine Wirkung entfalten konnte. Auf die Frage der Verwirkung oder eines etwaig rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers war daher nicht mehr einzugehen.
Pankatz
Richterin am Landgericht