Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Beschluss vom 19.03.2019 (Az.: XI ZR 44/18), in dem er obiter dictum zum Vorlagebeschluss des Landgerichts Saarbrücken Stellung bezog, sehr weit aus dem Fenster gelehnt:
"Soweit das Landgericht Saarbrücken [...] die Verknüpfung der Information über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist mit dem Verweis auf eine gesetzliche Vorschrift für unklar hält, hätte der Senat aus mehreren Gründen weder Anlass, dem Gerichtshof der Europäischen Union ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der Richtlinie 2008/48/EG zu unterbreiten, noch von der gefestigten Rechtsprechung abzugehen. Zum einen findet die Richtlinie 2008/48/EG nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und c auf den (Immobiliar-)Darlehensvertrag der Parteien keine Anwendung. Zum anderen ergibt der Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48/EG offenkundig und ohne dass für vernünftige Zweifel Raum bliebe, dass in der Widerrufsinformation bei der Umschreibung der Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht sämtliche Informationen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48/EG 6 U 88/18, juris Rn. 23). Dem entspricht, dass die Studie der Generaldirektion Interne Politikbereiche, Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik (Implementation of the Consumer Credit Directive, PE 475.083, 2012, S. 33 f. und S. 36 f.) die deutschen Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG und den Verweis auf eine gesetzliche Vorschrift zwecks Umschreibung der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht als der Richtlinie widersprechend beanstandet hat (OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Februar 2019, aaO, Rn. 28). Schließlich ist das deutsche Gesetz und der Wille des deutschen Gesetzgebers derart eindeutig, dass eine entgegenste-hende richtlinienkonforme Auslegung ausscheidet (Senatsurteil vom 3. Juli 2018 XI ZR 702/16, WM 2018, 1601 Rn. 13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Februar 2019, aaO, Rn. 12 ff., 19)."
War das Wunschdenken, endlich die ungeliebte Prozessflut vom Tisch zu bekommen?
Jedenfalls in den Fällen, in denen Banken oder Sparkassen ihren Kunden Widerrufsinformationen erteilten, die aufgrund sprachlicher oder gestalterischer Abweichungen nicht in den Genuss der Gesetzlichkeitsfiktion kamen, wird sich das Urteil erheblich zu Gunsten der Verbraucher auswirken. Nach meiner Einschätzung wird es - zumindest auf Ebene der Oberlandesgerichte - kein Gericht geben, dass die eindeutige Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs in dieser Frage nicht berücksichtigen wird.
Doch auch in den Fällen, in denen Banken und Sparkassen Widerrufsinformationen eins zu eins übernommen haben, erwarten wir zumindest, ein großzügiges Entgegenkommen der Kreditinstitute. Aus höchster Instanz wurde den Verbrauchern nunmehr bescheinigt, dass sie - unabhängig vom Vorliegen einer Gesetzlichkeitsfiktion - nicht verständlich über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt wurden. Es wäre ein starkes Stück, wenn sich Banken auf eine formale Position zurückzögen.
Die Frage der Bindung deutscher Gerichte bleibt also spannend (www.kredit-widerrufen.com/EuGH).